In der neuen choreographischen Trilogie der Innsbrucker Tanzcompany kamen unterschiedlichste Tanzaussagen zum Vorschein: Die „Suite für Zwei Klaviere“ von Uwe Scholz begeisterte durch Perfektion und äußerst feinfühlige Musikalität, während die „6 Tänze“ von Jiří Kylián den clownesken und gleichzeitig gesellschaftskritischen Aspekt von modernem Tanz darstellten. „No Comment“ von Chang Ho Shin überzeugte durch seine Energie und den aktuelle Fragen behandelnden Minimalismus.
Uwe Scholz’ Choreografie vereint nicht nur die Musik Rachmaninoffs Suite für zwei Klaviere N.2 Opus 17 mit Tanzperfektion, sondern vertanzt gleichzeitig Wassily Kandinskys Illustrationen aus „Punkt und Linie zu Fläche“ (1926), als hätten sie seit jeher zusammengehört. „In realer Form kann der Punkt unendlich viele Gestalten annehmen“, meinte Kandinsky. In diesem Sinne wurden auch seine Punkte und Linien vertanzt. Der dominierende schwarz-weiß Kontrast im Bühnenbild und in den Kostümen (ebenfalls vom Choreografen selbst) lässt Reminiszenzen an das moderne Notenbild und Klaviertasten zu.
Uwe Scholz’ musikalisches Feingefühl und gleichzeitige stringente Linienführung zeichnen sein Schaffen aus. Der menschliche Körper wird dabei zu einem Pinsel für das alleinige Ziel Musik sichtbar zu machen. Scholz verortet den Körper wie ein Punkt auf einer Fläche. Seine ästhetischen Hebefiguren und Wurfkreationen wurden von Roser Muñoz gekonnt einstudiert. Die Musik wie auch der Tanz erforderten in dieser Choreographie höchste Präzision und Virtuosität, besonders von den Solistinnen Anna Romanova, Brigida Pereira Neves und Sayumi Nishii. Der aus Leipzig eingesprungene Kiyonobu Negishi überzeugte durch seine technische Brillanz und Musikalität.
Sechs Tänze von Jiří Kylián - das letzte Stück vor der Pause - kokettierte mit der Mozartzeit. Es stellt einen Versuch dar, verspielte Clownerie und heimliche Gesellschaftskritik zu vereinen. Kyliáns humoristisches Mozartballett überraschte das Publikum durch seinen surrealen Bewegungswitz. Die Choreographie fordert nicht nur ein Verständnis für Timing und Mimik von den Tanzenden, sondern auch ein burlesques Können. Geschlechter- und soziale Rollen werden ähnlich einem Puppentheaterbespielt: das Geschlecht kann an- und ausziehbar sein, wie das Krinoline-Kleid, in das sowohl Tänzer wie auch Tänzerinnen schlüpften. Genauso wie falsche gesellschaftliche Identitäten zerplatzen, verschwanden auch die Seifenblasen auf der Bühne am Ende des Stückes. Mozarts Musik ist ein klingendes Bekenntnis für diese gesellschaftlichen Kniffligkeiten und zeichnet sich mit einer irritierenden Witzigkeit, durch die man ein tiefes Verständnis für den Sinn des menschlichen Lebens erlangt, die aber doch eine unverortbare Kritik an der Menschheit ausdrückt.
Auch das letzte Stück (eine Innsbrucker Wiederaufnahme) des koreanischen Choreographen Chang Ho Shin berührte durch seine gesellschaftliche Aktualität und besonders ansprechende Rhythmik. In diesem Stück hatte das Publikum die seltene Gelegenheit den Direktor der Tanzkompagnie, Enrique Gasa Valga, selbst auf der Bühne tanzen zu sehen und zu bewundern. Die Choreographie ist eine Synergie aus Hip Hop, Improvisation, Kampfkunst und Akrobatik. Der dargestellte Wahnsinn und die choreographische Gleichschaltung in den Ensemblestellen ließen an Aldous Huxleys Roman „Brave New World“ denken. Minimalistisch entfesselte die Choreographie ihre Kraft im musikalischen wie auch tänzerischen Rhythmus: einer Steigerung ähnlich wie in Strawinskys "Sacre". Am Ende merken wir vielleicht, dass nicht nur die TänzerInnen in „No Comment“, sondern wir alle durch einen gemeinsamen Puls, einen Herzschlag, verbunden sind.
„Ménage-à-trois“ am Tiroler Landestheater, Premiere am 4. März 2017. Weitere Vorstellungen am 9., 11., 16., 17., 18., 22. März; 23., 29., 30. April 2017