Der Kubaner Carlos Acosta (44) war bis vor kurzem einer der Top-Tänzer der internationalen Ballettwelt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Royal Ballet dachte er keine Sekunde daran, in Pension zu gehen. Lieber wollte er seiner karibischen Heimat Gutes tun und gründete eine eigene Company, die Acosta Danza, in der formidable Tänzer zeigen sollen, was sie können.
Mit seinem Programm „Debut“ gastierte die junge Truppe nach der Uraufführung im Sadler’s Wells in London erstmals in Österreich im Festspielhaus St. Pölten und begeisterte das Publikum mit dem frischen Charme einer jungen Truppe, die offensichtliche Freude an Ihrem eigenen Tun hat.
Acostas Karriere war lang und als Principal Guest Artist am Royal Ballet in London und in anderen Ensembles hat er als als Prinz Albrecht in „Giselle“ oder Siegfried in „Schwanensee“ oder Des Grieux in „Manon“ brilliert. Auch erhielt er hochkarätige Auszeichnungen wie den Prix Benois de la Danse 2008, und seit 2014 darf er sich „Commander of the Order of the British Empire“ nennen.
In St. Pölten überzeugten nun seine Zöglinge mit einem gemischten Programm aus Neoklassik über Contemporary bis Streetdance. Als Visitenkarte präsentierte das Ensemble „Belles-Lettres“ von Justin Peck, dem Hauschoreographen des New York City Ballet. Anfangs noch nicht ganz rund, fanden die drei Paare und ein Einzeltänzer allmählich in den Rhythmus, und es entstand ein guter Flow der Pas de deux. Choreographisch gesehen ist das neoklassische Stück recht bieder und in der Tanzsprache nicht sehr originell, aber letztlich ging es darum zu zeigen, dass Acosta Danza auch in Spitzenschuhen und mit klassischen Hebefiguren bella figura macht.
Ganz anders ging es mit „Mermaid“ weiter, einem Werk, das Sidi Larbi Cherkaoui eigens für Acosta Danza geschaffen hat. Hier tanzt der Chef Acosta selbst, und zwar mit der wunderbaren Marta Ortega, einer Tänzerin von zarter Statur und zäher Ausdauer. Acosta hält sich ganz zurück, um seiner Partnerin die Show nicht zu stehlen. Der Plot erzählt von einer beschwipsten Liaison, beide haben ein Champagnerglas dabei, und zu sehen ist eine vitale Kombination von ein bisschen Klassik vermischt mit Contemporary Moves und Elementen der Contact-Improvisation. Ortega trägt ein rotes Kleid zu den Spitzenschuhen, die sie am Ende des Stückes ausgezogen hat und barfuß weitertanzt. Charme und Virtuosität dieses Paares bewegen das Publikum zu heftigem Applaus, sodass Ortega und Acosta mit dem Verbeugen gar nicht aufhören können.
Witzig und virtuos kommt „Twelve“ von Jorge Crecis daher, eine Synthese aus Sport und Streetdance. Hier werfen die Tänzer einander permanent Plastikflaschen zu, die mit Leuchtstoff gefärbtes Wasser beinhalten. Es entstehen laufend neue und schwierige Formationen. Eine lebendige Gruppenchoreographie, die man nicht nur tanzen können, sondern auch mit Seele füllen können muss, so wie Acosta Danza.
Zum Finale nach der entbehrlichen Pause dann noch „Imponderable“ von Goyo Montero, der gegenwärtig Ballettdirektor am Staatstheater Nürnberg ist. Auch dieses Stück ist ein gutes Gruppenwerk, in dem die schwarz gekleideten Tänzer komplett zeitgenössisch tanzen. Sie sind sehr gut aufeinander eingestimmt und der energetische Level ist hoch.
Die Bilanz: Auf den ersten Blick sieht das Programm des „bunten Abends“ wie ein Tourneeprogramm aus. Auf den zweiten erkennt man das Anliegen Acostas, der ganz bestimmt keine reine Tour-Company gründen wollte. Wie er selbst sagt, ist der Weg des Lernens noch ein weiter, und er wird ihn bestimmt erfolgreich gehen. Gut auch, dass er sich nicht von der zur Zeit in der europäischen Dance Community herrschenden geistigen Enge, die nur wenige Tanzweisen als künstlerisch wertvoll akzeptiert, beeindrucken lässt.
Acosta Danza "Debut" am 7. Oktober 2017 im Festspielhaus St. Pölten