Die 26. Ausgabe des Festivals der Alten Musik im Wiener Konzerthaus stand unter dem Motto „Die europäische Familie“. Es ist ein großer Verdienst jener Szene der „historisch informierten Aufführungspraxis“, in den letzten Jahrzehnten viele wertvolle Kleinode europäischen Musikschaffens freigelegt zu haben. Dabei zeigte sich auch, wie erstaunlich vernetzt KünstlerInnen schon seit Jahrhunderten arbeiten. Und das ohne Internet in einer Zeit, als das Reisen noch aufwendig und beschwerlich war.
Den Auftakt des Festivals machte ein Grand Seigneur, Jordi Savall mit La Capella Reial de Catalunya & Hesperoin XXI. „Lob der Torheit“ hieß es da durchaus wörtlich, denn die SchauspielerInnen Regina Fritsch, Karl Markovics und Markus Hering lasen zwischen den Klängen der alten Instrumente Texte aus der Renaissance von Martin Luther, Niccoló Machiavelli und vor allem des Humanisten Erasmus von Rotterdam. Ihm war der Abend gewidmet. Auch der große Stefan Zweig wurde zitiert, der eine Romanbiographie über ihn geschrieben hatte, in den anbrechenden finsteren Zeiten vor dem Zweiten Weltkrieg. Erasmus war für ihn ein Patron der Toleranz und Humanität.
Die großartigen MusikerInnen brachten Noten von u.a. Henry du Bailly, Guillaume Dufay, Juan del Encina, Claude Sermisy, Josquin Desprez zum Klingen. Es war ein feiner Abend, von wahren Könnern gestaltet, mit einer klaren Botschaft obendrein.
Interessant war auch das Opera-Ballett „L’Europe galante“ von André Campra aus 1697, dargeboten von La Simphonie du Marias und La Choer du Marais, geleitet von Hugo Reyne. Es war angeblich ein Bühnenhit des Ancien Régime, und um den Glanz wieder auferstehen zu lassen, führte das Ensemble Donaires auch eine Tanzeinlage in zeitgemäßen Kostümen vor, eine gut recherchierte Choreographie basierend auf historischen Vorlagen. Ein netter Augenschmaus, insgesamt aber ein bisschen langweilig, weil das Werk musikalisch nicht genügend Spannung bot. Man darf nicht vergessen, dass es sich um Bühnenmusik für ein barockes Hofmaschinentheaterspektakel handelte, also die Musik nur ein Teilaspekt war.
Ein weiterer Höhepunkt war Stylus Phantasticus unter der Leitung von Friederike Heumann an der Viola da Gamba mit dem Abend „La Carte de Tendre“. Die Sopranistin Claire Lefilliâtre sang wunderschöne Airs über die Liebe, angeregt durch die Salons von Madeleine de Scudery (1607-1701). Denn die Liebe soll das beliebteste Diskussionsthema gewesen sein, aber das war ja wohl in ganz Frankreich so.
Insgesamt haben nach Angaben des Konzerthauses 8500 Menschen die „Resonanzen 2018“ besucht.
„Resonanzen“ von 20.bis 28. Jänner 2018 im Wiener Konzerthaus