Der Musikethnologe Michael Korth hat die ältesten Lieder Österreichs zusammengetragen und in eine heute verständliche Sprache übersetzt. Zusammen mit dem Komponisten Gerald Wirth entstand daraus eine Kantate, die die mittelalterlichen Minnegesänge und geistlichen Lieder neu hörbar macht. Die „Carmina Austriaca“ wurde nun nach seiner Uraufführung 2016 beim Grafenegg-Festival im Wiener MuTh mit Tanzeinlagen in der Choreografie von Irina Pauls wieder aufgenommen.
Die Minnelieder von berühmten Dichtern wie Walther von der Vogelweide, Oswald von Wolkenstein, von Neidhart von Reuenthal und anonymen Autoren übermitteln in ihren Texten ein kurzweiliges Sittenbild des Hoch- und Spätmittelalters. Ebenso wie Carl Orff bei seiner berühmten „Carmina Burana“ stützte sich auch Gerald Wirth auf die mittelalterlichen Originalkompositionen und lehnte sich bei seinen Arrangements an Orffs Orchestrierungen an, die von der Schubert-Akademie klangvoll musiziert wurden. Rhythmisch synkopiert oder melodisch, fernöstlich getönt, oder – wie in den sakralen Gesängen, etwa vom Mönch von Salzburg – erhaben getragen, breitet sich ein vielfältiges Klangbild aus.
Für die Tanzeinlagen vertraute man auf die Expertise des Orff-Instituts an der Universität Mozarteum. Die Gruppe „Das Collectif“ wurde von Lehrenden und Studierenden gegründet und widmet sich seit 2009 dem künstlerischen Werk von Carl Orff unter der künstlerischen Leitung von Irina Pauls. Für die „Carmina Austriaca“ hat sie Arbeitstänze, Kampfszenen, und Bilder höfischen Lebens inszeniert, wobei der Platz auf der Bühne sehr beschränkt war. Dennoch: Die tänzerischen Einlagen waren bei dem zweistündigen Gesangsprogramm eine willkommene visuelle Auflockerung, die vom Publikum regelmäßig mit Zwischenapplaus honoriert wurde.
Die Hauptrolle spielt in dieser Kantate aber der Chor, der den Großteil der Bühne füllte. Gerald Wirth hat als Leiter der Wiener Sängerknaben einerseits den Knabenchor und andererseits den Chorus Juventus mit SchülerInnen der Oberstufe des Sängerknaben-Gymnasiums eingebunden. Das ergab einen mächtigen Klangkörper von über100 Stimmen, dem die vier SolistInnen Michael Schade (Tenor), Elizabeth Sutphen (Sopran), Matthias Azesberger (Bass) und – sehr ausdrucksstark und spielerisch – die Mezzosopranistin Irena Weber gegenüber standen. Besonders gelungen das Entrée und das Ende, bei dem einige Sängerknaben und InstrumentalistInnen im Auditorium verteilt waren und so ein Surround-Effekt erzeugt wurde.
„Carmina Austriaca“ wurde im MuTh in einer kammermusikalischen Version aufgeführt. Es wäre ein durchaus lohnendes Unterfangen das Werk nicht nur mit großem Orchester sondern auch in einer entsprechenden Bühneninszenierung zu erleben. Für Tanz ist diese wunderbare Musik jedenfalls bestens geeignet, das bewiesen schon die Einlagen im stark eingeschränkten Raum.
„Carmina Austriaca“ am 2. Februar 2018 im MuTh