Savion Glover, Superstar des Stepptanzes seit Kindesbeinen, gestaltete mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich (TON) einen Abend im Festspielhaus St. Pölten. Eine ambitionierte Kooperation, bei der sich die beiden Partner als nur bedingt kompatibel erwiesen. Während Glover als Jazzer und Hoofer brillierte, konnte er im Zusammenspiel mit dem Orchester nur wenig überzeugen. Dem klassischen Klangkörper des TON wiederum fehlte der letzte Kick für den Groove.
Savion Glover wird als Erneuerer des Stepptanzes gefeiert. Sicherlich hat der heute 55-jährige dessen Image verändert. Der sympathische Tänzer legte den feinen, schwarzen Anzug in den Kasten und tritt im informellen Outfit mit Jeans und T-Shirt auf. Seine Rasta-Mähne hat er auf dem Hinterhaupt lässig zusammengeknäuelt, kurz: er besticht durch seine natürliche Bühnenpräsenz. Glover versteht sich aber nicht nur als Tänzer, sondern auch als Musiker, arbeitet immer wieder mit Symphonieorchestern zusammen und steppt auch zu klassischem Repertoire von Bach bis Bartók.
In Niederösterreich hat man sich sicherheitshalber für ein Programm mit Musik von Gershwin und Bernstein entschieden. Doch selbst da gestaltete sich das Zusammenspiel oftmals problematisch. So etwa übertönte Glover mit seinen Taps das Tonkünstlerorchester bei George Gershwins „Cuban Ouverture“ und wurde eher zu einem Störfaktor als zu einem zusätzlichen Orchestermusiker. Auch in der Abschlussnummer, Bernsteins Ouvertüre aus „Candide“, wurde der Sound vom Geklapper der Taps niedergetrampelt.
Man hatte den Eindruck als stünde Glover allein durch die Lautstärke in Konkurrenz zum Dirigenten (Garrett Keast). Nur in Leonard Bernsteins langsamer Tanzepisode „Lonely Town“ aus dem Musical „On the Town“ gelang es ihm, sich in den Klang einzufügen. Wenn Glover nicht auf dem verstärkten Tanzpodest agierte, steppte er hin und wieder spontan auf dem Bühnenboden – was im Zusammenspiel mit dem Orchester deutlich besser klang und insgesamt die optimalere Variante gewesen wäre. Bei Duke Ellingtons „Nutknacker Suite“ hingegen wurde offensichtlich, dass die Tonkünstler näher bei Peter (Tschaikowski) als bei Duke sind. Ihr Big Band Sound ist brav, aber nicht sonderlich aufregend.
Erst im zweiten Teil des Konzertes kam Savion Glovers Virtuosität uneingeschränkt zur Geltung. In einer Jam-Session mit dem Trompeter Mark Ingraham ersetzte er mit seinen Füßen mühelos das Schlagzeug, unterstützt von seinen Stepp-Kollegen Marshall David und Michela Lerman. Da perlen die Rhythmen auf die Tanzfläche, vibrieren die Beine, schlenkern die Arme und bewegt sich der Oberkörper in beneidenswert entspannter Haltung. Während die Trompete „Summertime“ intoniert, wechseln die Beats mit sagenhafter Geschwindigkeit, und man fühlt sich in den „Cotton Club“, New Yorks legendären Nachtclub der 1930er Jahre, zurück versetzt. Schließlich übernimmt der Rhythmus völlig die Bühne, die Trompete verstummt; Ingraham findet keine Möglichkeit zum Widereinstieg ebensowenig wie Joachim Murnig, Schlagzeuger der Tonkünstler, der ebenfalls in die Freundesrunde eingeladen war. Es ist ein abruptes Ende dieser Jazzsession, was wiederum charakteristisch für diesen Abend ist. Savion Glover wird von seiner Leidenschaft für den Rhythmus mitgerissen und ignoriert dabei auch musikalische Konventionen.
Savion & Friends/ Tonkünstler am 26. April 2018 im Festspielhaus St. Pölten