Eine „lange Nacht des Tanzes“ kann auch ein wenig anders sein: anders als die bislang in Bleiburg veranstalteten oder die von Anna Hein sehr erfolgreich im Juli (tanz.at berichtete) in Gmünd eingerichtete: So wollte die Tänzerin und Choreographin dieses Mal ein „Länger-Eintauchen“ in Interpretationen des Zeitgenössischen Tanzes ermöglichen; dass es dabei nicht an charakteristischer Vielfalt fehlte, sei vorweg gesagt, ebenso dass das Veranstaltungskonzept ein wohlüberlegt abgerundetes war.
So wurde vor dem Werner Berg Museum, das in diesem Jahr sein 50jähriges Bestehen feiert, die Veranstaltung nicht nur verbal eröffnet, sondern auch durch ein tänzerisches Vorspiel, das sich inhaltlich mit dem Maler beschäftigte, ein Bogen über die Kulturstadt und den Abend gespannt: einer, der durch die hier präsentierten markanten, W. Bergs Handschrift zitierende Posen außerdem neugierig machte auf das, was in seiner Langform als Abschlussproduktion der Nacht geboten werden würde.
In programmatischem Fluss zogen anschließend Tänzerinnen von DANS.KIAS die Aufmerksamkeit durch ihre „Streetpuzzles“ auf sich: Nicht mit Brotkrumen markierten sie dabei den Weg (zum nächsten Veranstaltungsort), sondern mit Bewegungs-Formationen und Körper- Installationen, angeregt durch und angepasst an die örtlichen Gegebenheiten. Immer wieder fantasiereich und witzig, unterhaltsam allemal.
Der erste der drei großen Programmpunkte, eine Choreographie von Nikolaus Adler, war gleichzeitig auch tänzerischer Höhepunkt; und ein emotionaler ebenso, denn der erfolgreiche Wiener Künstler nimmt in seinem „Balthazar“ Bezug auf eine Schlüsselszene von Robert Bressons Filmklassikers „Au hasard Balthazar“, in der ein Esel einsam inmitten einer Schafherde stirbt. Mit seinen tanztechnisch versierten und gestisch ausdrucksstarken TänzerInnen Laura Fischer, Katharina Illnar, Florian Pizana, Pal Szepesi und (last not least) Xianghui Zeng gelingt eine feinsinnige Umsetzung des Unbegreiflichen, des Unbegreifbaren, des Todes - in Form von Bewegungen: von Bildern, die zerfallen, von getanzten Gefühlen, Wünschen und Hoffnungen, die sich aufbäumen und zerbrechen; von Mini-Aktionen, die ins Leere gehen, von Ängsten, die so konkret wie haltlos sind. Außerordentlich gelungen in diesem Fall auch der Versuch, Sprache und Performatives bereichernd zu verbinden. Vielleicht gerade, weil die Bewegung die Sprache unverhohlen umzusetzen versucht und derart klar die Sinnlosigkeit und letztlich auch Unmöglichkeit dieses Unterfangens demonstriert – in Analogie zum ewigen Versuch des Menschen, den Tod zu fassen, zu verstehen. Einschließlich des absurden Phänomens, dass auch das Leben als solches nicht wirklich begriffen wird, weder in seiner Schönheit noch im Abschreckenden: All das an ephemeren Lebenserfahrungen „realisiert“ sich hier in undeutlicher Deutlichkeit des Bewegungsflusses – und nachhaltig berührend.
Weiter-geleitet durch die sportlich engagierten, sich kaum schonenden Bewegungs-Künstler von DANS.KIAS ist man in Saskia Hölblings „Things“ mit der Welt des Weggeworfenen, Vergessenen, Abgelegtem, Nicht-mehr-Gebrauchten konfrontiert; auch mit der Welt Abgeschobener – vielleicht. Denn das grundsätzlich eindimensionale Metaphern-(Über-)Maß in dieser Performance ist sehr offen, teils vage, teils un-stimmig; auf jeden Fall aber das, was sie trägt, die Performance, eine Zeitlang jedenfalls; und also auch das, was sie abdriften lässt und schließlich „absaufen“, denn man wird müde dieser zahllosen Bilder des Agierens mit und Drapierens von „nutzlosen“ Gegenständen. Ist doch mit Assoziationsanregungen gleicher Ebenen bzw. einer Endlosschleife (auch bei allem Einsatz der Agierenden, ihrer immer wieder versuchsweise formgebenden, mehr oder weniger spontanen Kreativität) nicht wirklich ein nachhaltiges Kunst-Stück zu kreieren.
Beim letzten Produktion schloss sich der lokal verwurzelte tänzerische Kreis: Das CCB (Center for Choreography Bleiburg)-Auftragswerk „von draußen nach drinnen“ wurde konzeptuell erarbeitet und als Uraufführung an diesem Abend vorgeführt von Like Baio und Dominik Grünbühel; als Ergebnis einer einjährigen Residence vor Ort und in Auseinandersetzung mit Werner Bergs künstlerischem Schaffen und seiner Welt in Unterkärnten. Ihre Fähigkeit, seine Figuren (in Schwarz mit weißem Kopftuch) einzeln und auch gemeinsam nachzustellen, sind frappant ob ihrer Ähnlichkeit im Ausdruck; werden atmosphärischen lebendig, wenn die beiden zu ihren Gitarren greifen. Werner Bergs Blick für das leicht und oft übersehene, aber entscheidende Detail „übersetzen“ sie mit Hilfe eines Makro-Objektives in die Welt der Fotographie. Naturaufnahmen von hoher technischer Qualität sind es, die da zu sehen sind und vor allem auch solche eines geschult scharfen wie feinfühligen Blickes. Dass sich dabei die Sicht aufs „Grobe“ verliert, ist denkbar und doch schade: denn das simulierte Feuer (-Video) ist nicht nur von geringer Qualität, sondern vor allem auch sichtbehindernd. Die Welt der kleinen, unbekannten Phänomene im Tierreich beispielhaft auf die Bühne bringen zu wollen, ist zwar verständlich und teilweise auch originell, aber in seiner naiven Umsetzung nicht überzeugend gelungen und letztlich nicht wirklich passend zum Projekt. Die im Einzelnen zum Großteil kreativ-interessanten Ideen und Realisierungsansätze benötigen als Gesamtheit noch der Überarbeitung.
Center for Choreography Bleiburg: „Lange Nacht des Tanzes“ am 10.August 2018 in Bleiburg/Pliberk