All die, die aus dem randvollen Zuschauerbereich ins Bühnenbild hineinragten, konnten seinem makellosen Weiß nichts anhaben - bei der Graz-Premiere von „I would like to be a better person“. Sie nicht. Denn dieser Aufgabe widmeten sich schon Marta Navaridas und Alex Deutinger – und diese benötigten bei ihrer Herangehensweise, Interpretation und Präsentation absolut keine Unterstützung.
So vieldeutig und denkanstößig der Titel der Performance, so umgänglich harmlos ihr Beginn: Navaridas führt wort- und damit bilderreich durch ihre fiktive Wohnung: Das Imaginieren der wohlausgestatteten Räume macht Spaß, denn „the guide“ weiß nicht nur mit gekonnter Natürlichkeit sich ihres Verbalpotentials respektive des klugen Texts charmant zu bedienen, sondern bringt durch die Selbstverständlichkeit ihrer detailliert erarbeiteten pantomimischen Passagen, fließend eingebettet in der ihr eigenen Bewegungsästhetik, anregende Lebendigkeit in das grundsätzlich trockene Unterfangen. Tragende Spannung nicht zuletzt auch immer stärker durch fein eingestreuten Witz und Selbstironie, wenn Hintergründe zu den räumlichen Gegebenheiten preisgegeben werden, wenn in kritischem Gedankenfluss Erinnerungen sich breitmachen oder ironisch Anekdotisches aufblitzt, ja eindringt in das scheinbar makellos weiße Idyll; sie habe ja sogar einmal kurz daran gedacht, bei der Flüchtlingshilfe mitzuarbeiten, aber… und weiter geht es mit der Wohnungsführung.
Die währenddessen nebenbei feinsinnig aufgezeigten Spuren gesellschaftlicher Gegebenheiten haben freilich wenig Farbenprächtiges, sondern sind vielmehr dunkel, sehr dunkel bis schmutzige.
Aber jedenfalls immer so, dass sie die angenehme Führung kaum stören (müssten): wenn die Behübschung mit chinesischem Porzellan, mit russischem Samt en passant erwähnt wird; wenn, etwas deutlicher, gedankenloses Verschwenden das Thema ist: im WC beim „großen Geschäft“, wenn meterlang Papier abgespult wird, das Händewaschen hingegen unterbleibt.
Dramaturgisch gut überlegt ist unter anderem die Wortlosigkeit, in der diese längere Szene im Bad, im intimen, normalerweise uneingesehenen Bereich, vor sich geht: Im Ungesagten verbirgt sich ja bekanntlich die meiste Wahrheit, im „Verborgenen“ wird der empathische Bürger zum unbegrenzt narzisstischen. Und so schaltet man/frau „pflichtbewusst“ die Nachrichten während der Toilette ein; zuhören oder gar mitdenken ist freilich etwas anderes. Navaridas verdeutlicht auch das höchst diskret und unspektakulär, lenkt (bewusst) durch ihr gekonnt elegantes Tun ab – lenkt die Aufmerksamkeit auf Äußerliches, womit sich ein weiterer, allgegenwärtiger Themenkreis schließt. Obwohl, selbstverständlich: „…refugees … must be respected“.
Deutinger/Navaridas ist mit dieser Synthese aus performativem Können und Gesellschaftskritik, ein eindringliches kleines Opus gelungen; die behandelte Thematik ist eine konstante in ihrem nun schon umfangreichen Werkkatalog, aber schon lange nicht mehr haben sie, reduziert auf ihr ureigenes Können, eine derartig Dichte in ihrem künstlerischen Potential erreicht.
Deutinger/Navaridas „I would like to be a better person“, Premiere am 1. September 2018 im Theater im Bahnhof. Weitere Vorstellungen am 6., 7. und 8. September