Von der Bedeutung und Ernsthaftigkeit des scheinbar spielerisch Leichten weiß sie uns zu berichten, die Welt des Zirkus. Und erst recht die des Cirque Nouveau, des Neuen Zirkus, die sich seit einigen Jahren nun doch auch in Österreich immer erfolgreicher ihren Platz sucht. So Anfang November bei einem zweitägigen Festival in Grünbach (NÖ) oder aber bei Einzelveranstaltungen wie derzeit das zweiteilige Programm "Circus Double" in Graz und demnächst in Wien.
In „Fallhöhe“ sind es zwei Performerinnen und eine live-Musikerin (Kreativkultur), die vom engagierten Tun mit dem Objekt und miteinander erzählen - einschließlich ihres zeitweisen Scheiterns dabei. Marleen Moharitsch, die Multimediaart studierte, konzentriert sich vorwiegend und überzeugend auf ihr Cello, Gesang und ihre szenisch gekonnt eingesetzte Loop Station. Doch auch sie lässt sich (ein wenig zu lang angelegt) auf die Möglichkeiten und Tücken des Objekts ein: Auf die kleinen, weißen Bälle , die ein von Beginn an vorhandenes, vielseitiges Angebot an die Performerinnen sind. An Arne Mannott, der mit seinen interdisziplinären Ansätzen mittels zeitgenössischer Zirkustechnik und Tänzerischem hier mit Objektmanipulation arbeitet; und an die finnische Performance-Künstlerin und Tänzerin Elina Lautamäki, die mit Bühnenpräsenz und anhaltender Konzentration aus kleiner Bewegung letztlich Faszinierendes zu entlocken, ja die Aufmerksamkeit und Geduld (des Publikums) für scheinbar Belangloses zu wecken versteht. Diese Intention verfolgen sie bald auch gemeinsam, wenn sie die am Boden in einfachen Mustern gelegten Bälle immer wieder neu arrangieren, ordnen und in Chaos auflösen. Und wenn sie im Fluss ihrer zumeist unspektakulären, aber wohlgesetzt-weichen Bewegungen den Flug der Bälle miteinander in harmonischen, abwechslungsreichen Rhythmus zu bringen suchen. Mit der Zeit erwartungsbefreit entspannt die Zuseherin und genießt. Eine abschließende „Belohnung“ für diese, ihre Bereitschaft zur anerkennenden Konzentration auf (scheinbar) Unbedeutendes bietet Arne Mannott in seinem Solo mit drei Bällen: Diese endlos ruhig sich bewegende Einheit aus Körper und Objekten entwickelt sich zu einem dynamischen Gemälde der Girlanden und Spitzen von so noch nie gesehener spritziger Linienführung.
„DOT and Line“, eine Produktion des 2003 gegründeten Kulturvereins Fenfire, ist ein zwanzigminütiges Solo von und mit Sebastian Berger. Der studierte Produkt- und Möbeldesigner hat in seinem zirzensischen Spezialgebiet, in der Manipulation mit dem Stab, nicht nur eine Vorreiterrolle, sondern auch internationale Anerkennung. In der in diesem Jahr entstandenen Performance bedient er sich zweierlei, von ihm entwickelten Objektmanipulationstechniken, mit denen er um die Thematik des Punkts (eines oder mehrere Bälle) in Bewegung – interpretierbar als Linie, also des Stabs - ein dramaturgisch hochkonzentriertes und punktgenaues Netz aus feinstem Bewegungsfluss webt. Wenn auch, oberflächlich gesehen, einer traditionellen Zirkusnummer etwas stärker verwandt als das Konzept von „Fallhöhe“, ist die Wirkung eine absolut außergewöhnliche und faszinierende; nicht zuletzt auch Dank des genau kalkulierten Einsatzes von markanter Lichtführung und dramatischer Musik und/oder Stille. Und so agiert er hier nicht nur zumeist wie ein Magier, sondern er scheint für die meisten staunenden Zuseher wohl auch einer zu sein.
Eine Programmzusammenstellung die publik machen könnte und sollte, wie wenig diese Kunstform mit Zirkuszelt und Tier-Dressur am Hut hat – etwas zeitgemäß (relativ) Neues ist.
„Circus Double“ am 22. Oktober 2018, weitere Vorstellungen: 23. und 24. Oktober im Kristallwerk Graz; von 26. Bis 28. November im Theaterbrett Wien