Im Überschwang der Gefühle. „Hey! Baby“ – wer hätte gedacht, dass die Übertragung des Kulttanzfilms „Dirty Dancing“ in ein Live-Theater-Ambiente derart gut hinhaut? Trotz seiner eigentlich etwas dünnen Geschichte, die Anrüchigkeit mit Sentiment und Moral kombiniert, erzielte die Lovestory – hochgeschraubt durch heiße Mambo- und Salsa-Rhythmen – 1987 einen gigantischen Überraschungserfolg.
Als auch noch der Soundtrack die Charts rockte, war der generationenübergreifende Siegeszug nicht mehr zu stoppen. Sieben Lieder waren genuin für den Film komponiert worden – darunter das legendäre „(I’ve Had) The Time of My Life“ für den finalen Super-Show-Tanz mit spektakulärer Flughebung des sozial ungleichen Paars Johnny (Tanzlehrer) und Francis „Baby“ Houseman (Teenagertochter eines Promiarztes). Eine veritable Happy-End-Apotheose vor dezentem Romeo-und-Julia-Hintergrund. Darin gipfelt – obgleich weniger raumgreifend als in der Kinofassung – die gelungen zwischen Ernst und Überzeichnung wechselnde Bühnenversion von 2004, die mit Komödienqualitäten sondergleichen gespickt ist.
Intuitiver lässt sich ergreifender Erste-Liebe-Spirit kaum abbilden. Handlungsbedingt steigert sich die Bewegungstechnik der Darsteller dabei ständig. Musicalfans lieben aufs Gemüt zielende Eingängigkeit eben. Selbst bekommen wir das privat schließlich nur weniger perfekt hin – beispielswiese so geradlinig zu empfinden oder so betont sexy zu tanzen wie Patrick Swayze und Jennifer Grey in den Filmhauptrollen. Doch hier muss man das Premieren-Duo im Deutschen Theater in München, Anna Weihrauch und Luciano Mercoli, ausdrücklich loben.
Statt die klare Leichtigkeit der nicht zu toppenden Vorbilder zu imitieren, eifern sie ihnen lediglich tänzerisch-choreografisch nach. Über zwei Stunden gelingt es ihnen, im Zusammenspiel mit den restlichen Akteuren inmitten des angesagten Ferienresorts „Kellerman's“ einen eigenen Charme zu entwickeln. Was macht es da, dass man bei ihren Steps und Körperlinien wegen der zwar beengten, aber durchaus kompakt-pfiffigen All-Inklusive-Drehbühnenausstattung Abstriche hinsichtlich Eleganz und Weichheit machen muss.
Denn gerade diese intime Enge zeichnet die Produktion aus. Was überzeugt, ist die Unmittelbarkeit der dreidimensionalen Inszenierung, für die eine ausgezeichnete Besetzung mit hohem Ähnlichkeitsfaktor zur Vorlage gefunden wurde. Schauspielerisch und gesanglich stark genug, um gleich 25 neue Songs mit brillanter Verve meist live und in Englisch darzubieten (wie die fantastische Leadsängerin Chayenne Lont). Die Kultschlager dagegen erklingen oft vom Band bzw. aus zeittypischen tragbaren Recordern. Cleverer Coup – passt das doch wunderbar zum Stückambiente, in dem attraktive Kellner (oder solche, die sich wie Benjamin Merkl als Superschleimer Neil Kellerman dafür halten) und Animateure unter der Talentschmerzgrenze unterschiedlich extravagante Clubgäste zu unterhalten haben.
Ein großer Teil der getanzten Szenen und der auf das Notwendigste reduzierten, deutsch gesprochenen Dialogpassagen wurde neu in den im Jahr 1963 verankerten Plot eingebaut. Freilich ist zu spüren, dass sich „Dirty-Dancing“-Drehbuchautorin Eleanor Bergstein dabei die Feder nicht aus Hand nehmen ließ. So kommt der Zuschauer erst gar nicht in die Bredouille, etwas zu vermissen. Johnny und Baby proben soundakustisch und hinter einer Wasserflächenprojektion ihre Hebung tatsächlich im See. Den Vogel als Interpretin aber schießt definitiv Ahou Nikazar in der Rolle der naiv-tapsigen großen Schwester ab. Ihre „Lisa’s Hula“-Nummer hat Josephine-Baker-Format und ist zum Brüllen komisch. Allein das schon lohnt den Besuch.
„Dirty Dancing“ noch bis 13 Jänner .2019 im Deutschen Theater München, danach auf Tournee in Deutschland und der Schweiz