„Hot Bodies – Stand Up“ heißt die jüngste Arbeit von Gérald Kurdian über Ökosex und Regenbogen, die mit viel Text, gesprochen und gesungen, mit elektronischer Konserven- und Live-Musik, mit Bildern, Videos, Knete und einem Benjamin zu einem ungemein vergnüglichen Ausflug in sexuelle Utopien wird.
Mit einer Ansprache, er spricht englisch mit jenem in wohl jeder Sprache geliebten französischen Akzent, startet Kurdian sein visuell-musikalisches Potpourri. Auf der Bühne viel elektronisches Equipment: mittig auf dem Boden Looper und Fußschalter, rechts ein Tisch mit Mischpult, daneben ein Kleiderständer mit ein paar schwarzen Oberteilen, dahinter ein Piano mit etwas Verhangenem darüber, ein flaches Podest links im Hintergrund, vor der großen Leinwand, auf der durchgehend Bilderserien laufen. Wie jene, in der Kurdian Körperteile, ein Bein, seine behaarte Brust, sein Hinterteil und auch seinen Penis im leicht geöffneten Vorhang präsentiert. Oder die mit einer aus Knete geformten Vagina mit Augen. Oder die vom Ökosex: Bilder von nackten Menschen im Wald, die Sex haben, in und vor allem mit der Natur, wozu Kurdian von seinem Erlebnis mit zwei halbhohen Blättern berichtet und vorführt, wie sie ihn verwöhnt haben. Am Boden, im Auditorium verteilt, liegen viele Kugeln aus roter Knete. Er ermutigt uns, diese aufzunehmen und zu verformen.
Zu alldem gibt es viele Geschichten und Musik, rhythmischer Elektronik-Sound, per Fußschalter gerufen, dann ein per Looper polyphonisierter Song, er dreht an den Knöpfen, singt mit elektronisch verweiblichter Stimme, auch mal eine Oktave tiefer, männlicher als ein Mann, singt eine Ballade mit Bassgitarre. Sein „Clito Manifesto“ präsentiert er wie einen Karaoke-Song, auf der Leinwand zum Mit-Lesen der Text, den er dann beim Verlassen des Studios auch am Ausgang verteilte. Kurdiansche Explizit-Poesie zum Mit-nach-Hause-nehmen.
Einmal er fragt uns: „What if all the living things were Sisters?“ Und er stellt uns seine Schwester vor, ein fast mannshohes Benjamin-Bäumchen, das er vom Rand auf die Bühne rollt. Wir werden aufgefordert, unsere Skulpturen aus Knete beim Bäumchen als Zeichen der schwesterlichen Verbundenheit zu deponieren. Ermutigung braucht unser Zögern, dann jedoch füllt sich der Pflanzenroller mit vielfältig Geformtem.
Gérald Kurdian zeigt viel Haut und Haar auf der Brust. Er trägt kurze schwarze Lederhosen, schwarze Boots und wechselt die immer luftigen Oberteile regelmäßig. Homoerotische Sexiness, mit der er sich über die Bühne bewegt, sich auf dem Podest räkelt.
Für die letzte Nummer enthüllt er wie ein Monument einen Flat Sreen, auf dem ein Handy-Video
läuft, das einen Regenbogen zeigt, gefilmt und englisch kommentiert von einem wohl alles Andere als Hetero-Mann. „Oh mein Gott, ein Regenbogen! Ist das schön! Und jetzt sogar ein Doppel-Regenbogen! Oh mein Gott! So schön! Oh mein Gott!“ Und die mit theatralischem Sentiment der Schwerkraft übergebenen salzigen Fluten ergießen sich über das unter dem Bildschirm stehende Digital-Piano: Kurdian spielt eine süßliche Melodei dazu. Köstlich!
Queer? Schon, aber zuweilen eben auch mit ironischer Distanz zu sich selbst und seinesgleichen. Und hier ohne aufdringlichen Narzissmus, ohne demonstratives Anderssein, ohne propagandistische Abgrenzung zu und Ausgrenzung von heterosexuellen Mehrheiten, ohne die konfrontative Einforderung von Toleranz und Akzeptanz. Mit viel Phantasie und noch mehr Humor nimmt uns Gérald Kurdian mit auf eine Reise in eine erotisierte Welt, in der die sexuelle Revolution
ihrem Höhepunkt erst noch entgegen zu streben scheint, die den Menschen, wie auch immer er sein mag, annimmt. Ein Manifest für die Bejahung der Lebendigkeit, des Lebens.
Gérald Kurdian „Hot Bodies – Stand Up“, Tanzquartier Wien am 9. März 2019.