Ein Tanz um das schwarze Gold. Auf spartanisch ausgestatteter Bühne entwickelt Kat Válastur in ihrer bereits 2016 uraufgeführten Arbeit „OILinity“ eine Parabel auf die Macht des Erdöls, auf die Macht derer, die es besitzen und auf die Ohnmacht der vielen, die von ihm abhängig sind. Das Tanzquartier Wien zeigte an zwei Abenden diese vielschichtige, intensive Choreografie.
Pulsierender Elektronik-Sound (wie die Skulpturen von Filippos Kavakas) und das flächige Decken-Licht setzen gleichzeitig ein. Die drei PerformerInnen stehen hinten, die Rücken nach außen gekehrt, in engem Kreis dicht beieinander. Leises Zucken beginnt, sie winden ihre Köpfe, legen sie sich gegenseitig auf die Schultern, kuscheln eng aneinander geschmiegt, verharren. Und noch einige Male das Gleiche, immer ausladender jedoch und öffnend die schützende Dreisamkeit. Sie atmen mit den Armen und, bald Rücken an Rücken, bilden sie Einen Organismus und fächeln wie ein Blumentier.
Das Bühnenbild von Laila Rosato ist klar strukturiert. Ein Dreieck aus mit schwarzem Textil verhüllten Objekten, eines, links vorn, kegelig spitz zulaufend, rechts etwas oben Eingedelltes, mittig ein flacheres Faltiges. Im Hintergrund stehen zwei Wände, mit Vogel-Federn und Waben-Mustern in pastelligen Grau-Blau-Grün-Tönen bemalt, welche sich in den von Lydia Sonderegger entworfenen Military-Look-Kostümen der drei TänzerInnen (Kat Válastur selbst, Nitsan Margalliot und Enrico Ticconi) wiederfinden. Ein Widerspruch ist spürbar, einer zwischen Natur und diesem undefinierbaren, bedrohlichen Dunklen.
Die Gruppe beginnt sich allmählich den drei Objekten zuzuwenden. Einzelne nähern sich, vorsichtig forschend, werden ab- und zurückgestoßen. Dann auch wieder findet die Gruppe zusammen, synchronisiert ihre Bewegungen, bricht auf. Der Sound wechselt mehrfach zwischen zwei Patterns, jenem pulsierenden und einer knackenden, knarzenden Textur, deren Elemente fast natürlich klingen.
Sie tanzen den Wettlauf auf das gedellte Objekt in Slow Motion, reißen den Anderen zurück, an der Kleidung, im Gesicht, taumeln und stürzen. Ja, Kat Válastur hat auch Humor, dunkelgrau. Sie kriechen auf allen Vieren rückwärts auf die Wände zu, „Shelter“ genannt in einem auf den Sitzen ausgelegten Plan der Bühnenobjekte. Diesen Schutz suchen sie immer wieder auf, scheinen, vor den Wänden stehend, optisch damit zu verschmelzen.
Eine stimmungsvolle Szene ist die einer Nacht: Das Deckenlicht verlischt zeilenweise, nur noch hinter den Wänden wird die Bühnenrückwand leicht erhellt. Wie tierische Schatten kriechen Wesen auf der Bühne durch die Dämmerung. Es wird wieder hell, und es hat sich, kaum merklich, etwas verändert.
Sie kämpfen, gemeinsam und jeder allein, sie zögern, sie tanzen ihre Hilflosigkeit und Verzweiflung, ermutigen sich und schöpfen Kraft für den Widerstand. Herausfordernd kreisen sie die Arme und ballen die Fäuste. Und dann die Annäherung an das Kegelige. Einer wagt sich in die Nähe, einen Arm in wellenförmigen Bewegungen vorgestreckt, weicht wieder zurück. Oder ihr Gesicht mit der Hand schützend, einen unguten Odem von sich blasend.
Von mehreren Blackouts unterbrochen legen sie die drei Objekte frei, enthüllen sie das Eigentliche: die „Spinning Melancholy“, eine sich langsam drehende Scheibe im Zentrum, auf der einer der Performer steht, die „Warvase“, ein graues Gefäß, und die „Ironic Fountain“, die wie ein schwarzer Termitenhügel aussieht. Ein Tänzer steckt einen Ast hinein. Was für ein Bild! Das Ende: Einer lehnt am Kegel, eine leert aus dem Gefäß schwarzes Öl auf die Bühne, einer hebt die runde Scheibe in den Himmel; weiß strahlt sie wie eine Sonne. Und Vögel rufen. Kat Válastur, 1977 in Athen geboren und in Berlin lebend, gibt dieser Performance ein vieldeutiges Ende.
Es geht ihr nicht nur um das Erdöl. Es geht ihr um Macht und Gier, um Abhängigkeiten und tief empfundenes ohnmächtiges Ausgeliefertsein, um Neid, Missgunst und Konkurrenz, um Verzweiflung und Mut, um Empathie und Solidarität, um Verschwendung endlicher Ressourcen, um eine den Planeten ruinierende rücksichtslose Human-Egozentrik, um das Individuum in der Übermacht ökonomischer Strukturen, um die Funktionalität des Kapitalismus, und eben auch um das, was dieser mit dem Menschen macht. Für all das findet sie eine ganz eigene Bewegungssprache. Gesten sind wie Worte, sagt Kat Válastur. Und sie formuliert mit klugem Herzen tief gefühlte Sätze, die, reduziert und mit kraftvoller Genauigkeit getanzt, fordern und fesseln. Brillant!
Kat Válastur: „OILinity“, am 15. und 16. März 2019 im Tanzquartier Wien.