Ein Doppel-Abend mit zwei höchst unterschiedlichen Arbeiten: „The past is a foreign country – a landscape in 4 scenes“ von Michikazu Matsune und Jun Yang und „Yabba“ von Maria Jerez. Eine wortreiche, bebilderte Reise in die Geschichte und an unterschiedliche Orte dieser Welt und eine vieldeutige, menschenleere und letztlich gewaltige Installation, die doch eines gemeinsam hatten: eine tiefe poetische Dimension.
Michikazu Matsune und Jun Yang: „The past is a foreign country – a landscape in 4 scenes“
Zwei weiße Tische nebeneinander, zwei Stühle dahinter, die Bühne des Studio 1 ist einfach gehalten. Mit vielen weißen Tafeln in den Händen betreten zwei Männer die Bühne, bilden je vier Haufen damit und setzen sich mit dem ersten Stapel an die Tische. Einer stellt eine Tafel auf (das Bild einer Familie beim Badespaß) und liest von der Rückseite ab. Und dann sein Nachbar.
Die zwei Männer nehmen uns mit auf eine Reise, die uns in eine Kindheit am Meer entführt, dorthin, wo er schwimmen lernte und sich über die Unendlichkeit des Meeres ins Unbekannte sehnte, ans Meer des 17. Jahrhunderts, als die Freiheit des Ozeans seiner Ausbeutung und dem Handel geopfert wurde, an die Grenze zwischen Indien und Pakistan, wo sich jedes Jahr bei einer gemeinsamen Zeremonie Generäle der beiden verfeindeten Seiten die Hände reichen, an japanische Küsten, wo einstmals ankommende Flüchtlinge getötet wurden, in die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea, wo sich 2018 deren Staatschefs die Hände reichten. Sie reden über die Zeit, sie nehmen uns mit auf den Flug zum Mond 1969, zu dessen eingespieltem Countdown sie um die Tische rennen. Wie beim Wettlauf zum Mond. Und sie erzählen, dass die Astronauten da oben nach Gott gesucht haben, aber nur Sterne und unseren Blauen Planeten sahen. Aber vielleicht hatte ja Laika, die Hündin, die 1957 von der Sowjetunion als erstes Lebewesen ins All geschossen wurde, vielleicht hat sie ja Gott gesehen. Wenn auch nur in schwarz-weiß, denn Hunde sind farbenblind … Sie erklären, warum auf den Fotos von dort oben immer nur einer der beiden Astronauten, und ausgerechnet der zweite Mensch auf dem Mond, zu sehen ist. Weil es für eine Einweisung in die Kamerabedienung nicht der richtige Moment war. Und wir erstbesteigen den Mount Everest 1954 mit den beiden Männern, die Hand in Hand den Gipfel betraten: Sie beide waren die Ersten.
Und der Japaner und der Chinese besteigen Hand in Hand die beiden Tische, um dort oben ein geteiltes Bild des „Daches der Welt“ zu einem Ganzen zusammenzufügen. Denn als Ganzes, gemeinsam und im Frieden erreichen wir wohl auch die höchsten Ziele. Schließlich breiten sie alle Bildtafeln am Boden aus.
So endet diese ganz sanft, sensibel und ohne große Gesten vorgetragene Anklage der Strategie des Trennens, in Vergangenheit und Gegenwart, im Osten wie im Westen, in Politik, Wirtschaft und Religion, im Privaten wie im Gesellschaftlichen. Michikazu Matsune und Jun Yang heben die reinen Fakten in eine poetische Dimension überführt, die diese Arbeit zu einer still Berührenden macht. Unaufdringlich eindringlich.
Maria Jerez: „Yabba“
Am Anfang war das Gold. Auf der Bühne der Halle G liegt ein riesiges goldglänzendes Tuch, ausgebreitet über eine Landschaft aus Hügeln und Tälern, kantigen und runden. Der Anblick ist ein ästhetischer Genuss. Elektronik-Sound empfängt die Zuschauer auf der Bühne, die Installation ist rundherum bestaunbar. Und irgendwann merkt man, dass sich etwas verändert. Rechts hinten steht ein etwas größeres Rundes, das beginnt, das goldene Tuch ganz langsam in sich hinein zu ziehen und eine bunte, reich strukturierte Welt freizulegen. Es strahlt und leuchtet, glitzert und funkelt in kräftigen Farben, die Stoffe bedecken und umhüllen eine gebirgige Landschaft aus undefinierbaren Dingen, die, man merkt es anfangs kaum, sich bewegen. Hier hebt ein Hügelchen sein Gipfelchen, dort reckt sich etwas Rundes in die Höhe, senkt sich wieder. Auch Nebel steigt auf und lässt das ganze noch lebendiger erscheinen. Wir haben genug Zeit, das Set zu entdecken.
Und dann: Einige wenige Objekte blasen sich auf, gemächlich, schieben sich aus den sie bedeckenden Stoffen heraus, fast, als würden sie geboren. Blasser gefärbt wachsen sie unaufhaltsam über die anderen hinaus, verdecken und verschlingen das sie Umgebende. Die Vielfalt und Fülle reduziert sich, der Sound wummert aggressiver.
Die 1978 in Madrid geborene Performance-Künstlerin Maria Jerez erschuf „Yabba“ in Zusammenarbeit mit fünf weiteren PerformerInnen und der DJane und Musik-Produzentin Angela de la Serna, die mit ihrem Projekt „Lanoche“ elektronische Musik von experimentell bis House produziert und performt.
Am Ende richtet sich in der Mitte ganz langsam ein ein goldenes Objekt auf, immer höher, wird, als es ganz dasteht, vom Spotlight aus der nun ins Dunkle gefallenen Umgebung herausgehoben. Und hinter ihm liegen zwei riesige Blasen. Ein gigantischer Phallus mit zwei gigantischen Testikeln. Alles Andere ist nur noch Verwüstung.
„Yabba“ ist eine radikal-feministische, zutiefst anti-partriarchalische, aber nicht humorlose, doppelbödig-subversive, in hochpoetischen Bildern formulierte Kritik am aus seinem Gebär-Neid geborenen blinden Schaffens- und Gestaltungs-Wahn des Mannes, der mit seiner narzisstischen Selbstüberhöhung so viel Leid, Zerstörung und Vernichtung über die Welt bringt. Herausragend!
Michikazu Matsune und Jun Yang mit „The past is a foreign country – a landscape in 4 scenes“ und Maria Jerez mit “Yabba” am 23. März 2019 im Tanzquartier Wien