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lowairSieben hochklassige Performances zeitgenössischen Tanzes und die Vorstellung eines internationalen Tanzprojektes für die Inklusion Geflüchteter, das waren die Burgenländischen Tanztage 2019, erstmalig im Choreografischen Zentrum im Kulturzentrum Eisenstadt veranstaltet. Tanz in seiner Vielfalt und Strahlkraft, von Liz King mit Leidenschaft, Sachverstand und Wärme gebündelt in einem zweitägigen Festival.

Bereits der erste Abend war ein Knaller. Mit „Game Over“ präsentierte das litauische „Low Air Urban Dance Theatre“ des Ehepaares Laurynas Žakevičius and Airida Gudaitė aus Vilnius eine zwischen Urban Style und zeitgenössischen Moves angesiedelte Tanz-Performance. Gepusht vom live spielenden Drummer, Trompeter und Elektronik-Sound-Artisten Adas Gecevicius, hier erstmalig in ein Tanz-Projekt involviert, ließen sie die surreal-fantastische Welt des Schriftstellers Julio Cortazar lebendig werden. Ein hochenergetisches akustisches und tänzerisches Spiel mit diversen schrägen Gestalten, authentisch und sehr eigen in der Bewegungssprache.Cellule

Die französische Tänzerin und Choreografin Anne-Marie Van zeigte ihr Solo „Cellule“ als zweites, ebenfalls über das europäische Tanz-Netzwerk „Aerowaves“ akquiriertes Projekt. Den Freestyle Dance Krumping, entstanden nach der Jahrtausendwende im Gefolge der Rassenunruhen in LA, als Basis nutzend, entwickelt Van eine tänzerische Sprache, die mit blitzartigen und expressiven Moves zu elektronischen Beats und teils nur mit einer Taschenlampe sich selbst beleuchtend eine Atmosphäre schafft, die den Zuschauer in die Wandlungen der Tänzerin saugt.

migrantbodiesThe Rechnitz Crew & The Body Focus Group eröffneten bereits am frühen Nachmittag Tag 2. „Migrant Bodies“ heißt ein internationales EU-Projekt, in dem KünstlerInnen, Institutionen und BürgerInnen in Österreich, Italien, Frankreich und Kroatien tanz- und bewegungsbasierte Methoden entwickeln, die Geflüchtete und Einheimische zusammenführen und darüber ein Kennenlernen und gegenseitigen Respekt auf höchst wertschätzende Weise fördern. Fünf Pärchen aus burgenländischen In- und noch minderjährigen, in Rechnitz lebenden Ausländern sitzen vor großen Blättern, auf denen in verschiedenen Sprachen Schlüsselbegriffe wie Krieg, Angst, Flucht, Einsamkeit, Familie, Hoffnung etc. geschrieben stehen. Ihre Gefühle von Misstrauen, Neugier, Anziehung und Empathie tanzen sie durch die Foyers, das Publikum mitziehend und zunehmend zu einer Gruppe verschmelzend. Die küsntlerische Leitung der choreografichen Installation besorgte Katharina Senk.

Der anschließende, zehn Zuschauer einbeziehende Teil zwang mit der Aufgabe, alle 20 auf immer kleiner werdenden Arealen Platz zu finden, zu im wahrsten Wortsinne immer enger werdender Kooperation. Die paarweise getanzte, das gesamte Publikum einbeziehende Geste der Einladung an die folgenden Zwei führte über in die Präsentation des Filmes „Migrant Bodies“, der, in seiner hier noch in Arbeit befindlichen Fassung, über dieses Projekt in allen vier beteiligten Ländern berichtet. „Migrant Bodies“ war das emotionale Zentrum der Tanztage, Zeugnis einer humanistischen Alternative zum Populismus der Jetztzeit. Herzerwärmend und bewegend.Senk

In einer geänderten Version zeigte Katharina Senk ihr Stück „Super[Human]“, hier mit drei TänzerInnen (sie selbst, Maartje Pasman und Robyn/Hugo Le Brigand), den Außenbereich des Kulturzentrums, sein Stiegenhaus und letztlich den Kleinen Saal bespielend. Posthumane, technisch „vervollkommnete“ Körper lassen den Verlust und ihr Ringen um die Bewahrung ihrer Menschlichkeit spüren. Elektronik-Sound und klassische Musik-Zitate, Vereinzelung und zerbrochene Nähe prägen diese bestechende Arbeit, die von Manchem wegen des durchaus interessanten topografischen Konzeptes leider nicht vollständig verfolgt werden konnte.

SchallerAngekommen im kleinen Saal des Kulturzentrums, schloss sich „What We Hold Inside“ von Eva-Maria Schaller an. Diese zu einem Solo umgearbeitete, ursprünglich mit fünf TänzerInnen erstaufgeführte Arbeit hat durch die personelle Reduktion nicht gelitten. Im Gegenteil. Mit Tanz und Stimme führt uns die Tänzerin durch Zustände von Verunsicherung, Forschen und Suchen über Auflehnung und Selbstermächtigung in den inneren Kosmos eines Menschen, mitreißend durch die tänzerische Klasse, die Souveränität der Performance und die Kraft der Bilder. Eva-Maria Schaller wurde dafür zu Recht vom Publikum gefeiert.dvorak

Der tschechische Choreograf und Tänzer Martin Dvorak beschloss mit seinem fulminanten Solo „Blatny“ diesen Dreierblock im kleinen Saal. Die leidvolle Geschichte des tschechoslowakischen regimekritischen Schriftstellers Ivan Blatný, der 1948 von einem London-Besuch nicht mehr in seine Heimat zurückkehren durfte und in der Folge mit finanziellen und psychischen Problemen kämpfte, brachte Martin Dvorak zu brüchigen elektronischen und elegischen klassischen Klängen mit tänzerischer Meisterschaft, beeindruckender Reife und tief berührend auf die Bühne.

BarrantesDie extreme Langsamkeit in „Drift (I,II)“ von Mario Barrantes Espinoza und Thomas Birzan war eine Herausforderung für Tänzer und Publikum. In dieser ebenfalls über „Aerowaves“ akquirierten und als letzte im kleinen Saal gezeigten Performance erkunden zwei in Kapuzenjacken gekleidete Tänzer zu ebenso entschleunigt einsetzendem Elektronik-Sound, vom Flächigen ins Rhythmische gleitend, die Wirkung von übermäßiger Gemächlichkeit auf ihre Körper und die Empfindungen der Zuschauer. Skulpturale Extrem-Slow-Motion,die es auszuhalten galt. Spannend und einzigartig.

Den krönenden Abschluss des zweiten Tages bildete „Models of Reality“ von Chris Harings Kompanie „Liquid Loft“. Diese im Februar 2019 im Tanzquartier Wien uraufgeführte Arbeit wurde hier in einer personell von acht auf sieben TänzerInnen reduzierten und an die deutlich geräumigeren Bühnenverhältnisse des großen Saales im Kulturzentrum Eisenstadt angepassten Version präsentiert. (tanz.at berichtete über die Premiere.)

Die Burgenländischen Tanztage 2019, veranstaltet von D.ID Dance Identity unter der künstlerischen Leitung von Liz King, waren ein hochkarätiges Manifest des europäischen und österreichischen zeitgenössischen Tanzes. Die Bandbreite der Themen und Ausdrucksformen, das tänzerische Niveau und die Leidenschaft der Veranstalter und des Publikums für den Tanz waren wahrlich beeindruckend. Es bleibt die Frage, warum der zeitgenössische Tanz in der Hauptstadt nicht eine ebensolche Wertschätzung und Unterstützung erfährt.

Tanztage am 31. Mai und 1. Juni im Kulturzentrum Eisenstadt

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