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beingmoved06Die Liste der MitarbeiterInnen ist lang, doch viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Und letztendlich ist Simon Mayer alleiniger Showmaster von „Being Moved“. Während sich das Publikum anfangs noch in einem Meditationsworkshop wähnt, wird dessen Geduld im Folgenden erheblich strapaziert. Denn das Atmen als Grundmotiv für eine Soundinstallation von Pascal Holper ist als Performance nicht abendfüllend.

Nach seinen großartigen Übersetzungen von musikalischen und tänzerischen Volkstraditionen in eine zeitgenössische Bühnenform („Sun Beng Sitting“ und „Sons of Sissy“) versucht sich Mayer nun in der Tradition schamanischer Heilpraktiken. Als Teil des Kreativteams wird die in mongolischem Schamanismus geschulte Corine Sombrun als Trance Beraterin genannt. Atemübungen, der Kult des nackten Körpers und High Tech sind nun die Zutaten, die Mayers Bewegungsaktionen und Holpers Klangteppich informieren.beingmoved12

Zuerst lädt Mayer uns ein, uns auf einem der sieben im Halbkreis angeordneten Sesseln zu setzten – freilich nur in unserer Fantasie, denn der Bühnenraum gehört ihm allein. Wir dürften dort tief durchatmen auch die Augen schließen, sagt er.

beingmoved15Erst noch bekleidet, lotet er dann vorsichtig seine vom Atem geleiteten Bewegungen aus. Später sitzt er, verkabelt und bis auf die Unterhose entkleidet, auf einem der Stühle und bearbeitet seinen Körper mit einem Bogen. Da wird die Haut zum Streichinstrument, da entfahren ihm kleine Lustseufzer, wenn er über eine erogene Saite fährt.

Nebel breitet sich auf der Bühne aus und die erste Verdichtung der gespeicherten Geräusche entlädt sich. Später wird der Rhythmus im symphonischen Surround Sound Mayer zu einer Art von wildem Hüpftanz animieren. Doch natürlich verliert er dabei, anders als in Trance, nie die Kontrolle. Üblicherweise ist Trance eine sehr persönliche Erfahrung, die man in unterschiedlichen Kulturen nur unter Aufsicht eingeht. Die Induktion dieses veränderten Bewusstseinszustandes steht jedoch in krassem Widerspruch zur Bühnenkunst, die höchste Wachsamkeit verlangt. „Loslassen“ auf der Bühne muss also Fake sein. Und doch gaukelt uns Mayer, unterstützt von funkelndem Strobe-Licht, einen Trancezustand vor, wie wir ihn von Raves kennen. Mag sich gut anfühlen, ist aber nicht besonders interessant anzuschauen.beingmoved

Hin und wieder ein Schrei, ein Klopfen auf den Boden, eine rhythmische Variation. Wir beobachten einen Mann in Bewegung, und selbst wenn wir uns auf einem der Stühle im Aktionsbereich imaginieren, bleiben wir dabei distanziert. Denn in den computergenerierten Klängen erkennen wir selten Mayers Geräusche, die diesen wohl zugrunde liegen. Jedenfalls haben wir darin den Sinn der Übung verortet, und jede seiner Aktionen als unabdingbar für die akustische Weiterbearbeitung angesehen. Schließlich kennen wir diese präzisen Sampling-Methoden von den Vorgängerstücken. Doch nun fehlt der Wiedererkennungseffekt.

Leider kommt auch der ironische Witz, mit dem Mayer in seinen Stücken bisher überzeugen konnte, diesmal völlig abhanden. Man vermutete ihn noch in der Workshop-Anordnung, die diese Performance einleitete. Doch Mayer wendet sich nur noch einmal an die ZuschauerInnen, diesmal als Dirigent, der ein imaginäres Orchester leitet. Danach sind wir einfach vergessen. Jene, die in ihrer Fantasie auf den sieben Sesseln Platz genommen haben, werden nicht zurückgerufen. Vielleicht setzt sich Simon Mayer ja in seinem nächsten Stück mit den Geistern auseinander, die er dort zurückgelassen hat …

Simon Mayer: „Being Moved“ im brut im Ankersaal am 23. Oktober 2020