Pin It

CommonGround3La-Strada-Festivalintendant Werner Schrempf will Brücken bauen zwischen Künstlern und Publikum, die Gräben zwischen ihnen verkleinern und dabei jeden ansprechen, einbeziehen. Die Produktion "Common Ground" ist ein Musterbeispiel dafür. Die Bandbreite des gezeigten Angebots ein weiteres, wie die Programmpunkte von Gardi Hutter, der Cie XY, des Kunstlabor Graz sowie der Cie Onyrikon exemplarisch belegen. 

Gardi Hutter

Als Königin der Nadeln, vulgo Königin der Clowns, thront die Schweizerin Gardi Hutter in ihrem farbenbunt chaotischen Stoffreich; betulich zufrieden werkelt sie unverständlich kauderwelschend in ihrer altertümlich verstaubten Schneiderei. Ihre liebenswürdige Ungeschicklichkeit, die ihr zustoßenden kleinen Malheurs im und des Alltäglichen lassen alsbald entspannende Solidarität empfinden. GardiHutter1

Lassen einsteigen auf die kleinen Szenen vom und zum Miteinander, das sich weltweit recht ähnlich abspielt: hierorts zwischen gelber und roter Zwirnspule, aber auch – zum großen Spaß des Publikums - zwischen Gardi und einem aus seinen Reihen. Sie wickelt mit ihrem Garn in „Die Schneiderin“ aber nicht nur ein, sondern öffnet auch mit großer, allerdings eher stumpfer Schere das eine und andere nicht nur bei ihr fest Zusammengehaltene, Verdeckte. Sticht auch ein wenig mit ihren Nadeln in die eine und andere tunlichst sauber gespannte Oberfläche - aber immer nur ein klein bisschen, also ohne dass es weh tut. 

GardiHutter2Ähnlich ist ihr Umgang mit Ängsten, ja selbst mit dem Tod; und auch in der Konfrontation mit sich selbst, in dem sie (was freilich auch der Realität entspricht) bald ermüdend im Kreis dreht. Für, wie empfohlen, Kinder ab 8 durchaus angebracht. Älteren wäre ein bisschen mehr an darstellerischen Feinheiten und inhaltlichen Tiefen zumutbar. 

Common GroundCommonGround1

Akrobatik der Spitzenqualität, fern jeder Glitzerwelt und umso reicher an tiefmenschlicher Freude am kreativen Tun wird in “Common Ground“ erlebbar; in dieser feinfühligen, ebenso humorvoll wie tiefernst durchchoreografierten Produktion der deutschen GbR des gleichen Namens und des Common Ground Circus vzw aus Belgien. Durchwirkt ist sie vom Gedanken und mit der Erforschung des Zusammenspiels Einzelner; und nicht nur getragen, sondern grundsätzlich erst von eben diesem hochsensiblen Kopperationsgeflecht ermöglicht. Dieses engmaschige Netz der Zusammenarbeit spannt sich immer deutlicher zwischen den Ausnahme-Artisten und umfängt gleichzeitig den Zuseher mit einem Netz des intellektuellen Bestaunens der gezeigten Artistik sowie eines des emotionalen Begreifens dessen, was Gemeinschaft bewirken kann. Cirque Nouveau in seiner besten Ausprägung. 

CommonGround2

Verspielt wie große Kinder stapeln sie gleichseitige, offene Holzquader auf-, neben- und ineinander. Manchmal hilft anscheinend ein Zauberer dabei (schließlich kein Wunder bei „Kindern“), manchmal spielen sie damit aber auch Verstecken oder Verkleiden, stapeln Miniausgaben der Würfel auf einen sich drehenden Plattenteller, dem sie aber sehr wohl auch ganz „normal“ Musik entlocken, manchmal auch scratchend. Musik steuert aber auch eine der Künstlerinnen auf der Gitarre und mit Gesang, ein anderer der Künstler auf der Klarinette oder dem Saxophon live bei – hoch oben auf dem Chinesischen Mast!CommonGround4

Dass Kinder auch ab und zu raufen, darf ebenso nicht fehlen: Dass es hier, bei Chris Iris, etwas wilder als normalerweise zugeht - wenn er sie etwa als Menschenball durch die Luft wirbelt und fängt -, lässt nur einmal mehr nach Luft ringen. Aber man konnte ja schon trainieren bei dem, was an Hand-auf-Hand-Akrobatik, Banquine und auf dem Schwungtrapez bereits an Unvorstellbarem gezeigt wurde oder noch auf dem Chinesischen Mast folgte. Den Künstlerinnen scheint im übrigen niemals die Luft auszugehen…

Als stimmigen, relativ unspektakulären, aber umso tiefsinnigeren Abschluss, bereiteten sie einander mittels Holzkisten den Weg über die Bühne: Für jeden Schritt werden die Kisten nach Bedarf arrangiert, damit der Gehende auf dieser einen Schritt weiter setzten kann. Ein Zuseher wird integriert, ein weiterer kommt dazu; und unmerklich sind es nur mehr Menschen aus dem Publikum, die füreinander Wege bereiten. Nicht enden wollende Standing Ovation.

CieXY01Cie XY

Wenn die 18-köpfige französische Cie XY mit ebenso vielen regional verwurzelten DarstellerInnen ihre „Les Voyages“ in der Grazer Innenstadt macht. Aufgeteilt in kleine Gruppen und mit einigen wenigen teilnehmenden „Mitreisenden“ bewegen sie sich fast unbeachtet in ihrer schwarzen Kleidung langsam durch autofreie Straßen und auf Plätzen. Bleiben stehen, beginnen ‚selbstverständlich‘ neben einem ‚zufällig‘ Aufspielenden zu tanzen; zuerst miteinander, dann mit einzelnen von den nun doch stehengebliebenen Zusehern.CieXY02

Der eine und andere wird aber dann auch kurz auf Händen getragen oder ‚über die Schulter‘ bzw. von der Gruppe stehend in die Höhe geworfen. Entscheidend dabei ist, dass die Artisten die einzelnen Aktionen vorerst untereinander ausführen und erst dann das Publikum zum Mitmachen animieren. Das schafft zusätzlich Verbindendes zwischen Kunst und Alltag – ist man doch also selbst ein wenig zum Artisten geworden. 

CieXY03Als ‚Mitreisender‘ wünscht man sich allerdings nach einiger Zeit etwas mehr an Variationen und auch Animationsstärke. Eine von ihnen allen gemeinsam gezeigte Performance auf den Schlossbergstufen bietet dann aber einen wiederum überzeugenden Abschluss. 

Kunstlabor Graz

Ein Community Art Projekt wurde nun schon zum wiederholten Mal von La Strada mit dem Kunstlabor Graz initiiert: Gesellschaftlich soziale Fragen werden hierbei anregend künstlerisch aufbereitet, in „Eggenberger Stadtgeflüster“ Bewohnern eines Grazer Viertels das Wort erteilt. Und es greift tatsächlich, wenn derart allgemeingültige Stadtprobleme (gesammelt in Interviews mit den Bewohnern) in einfachen Worten, klar und konkret - nicht jammernd und schimpfend wie im Alltag – angesprochen werden. 

Cie OnyrikonOnyrikon1

„Iyagbons Spiegel“, ein seit 2018 anhand von Residencies und Workshops entwickeltes Projekt der französisch-schweizerischen Cie Onyrikon und dem nigerianisch-österreichischen Bildhauer Samson Ogiamien wurde in Form eines weitläufigen Rundganges, beginnend mit dem (fiktiven) Raub einer Maske im Joanneumsviertel, Neue Galerie Graz (Teil einer tatsächlich dort zu besichtigenden Ausstellung afrikanischer Kunstwerke) in der Parklandschaft des Rosenhain uraufgeführt.

Onyrikon2Diese erlebte Form eines beeindruckenden Rituals mit traditioneller Musik und Tanz sowie performativen Passagen ist als spektakulärster und sichtbarer Teil dennoch nur einer des mehrschichtigen Projekts: Soll es doch neben seiner fiktionalen Ebene, nicht nur die spirituelle und kulturelle Ebene bewusst machen, sondern ganz besonders auch die historisch faktische und damit langsam die ins allgemeine Problembewusstsein kommenden Fragen der Restitution und des kulturellen Austausches gut hör- und sichtbar in den öffentlichen Raum stellen. 

La Strada Graz: Gardi Hutter: „Die Schneiderin“ am 4. August im Orpheum; Common Ground am 5. August im Landhaushof; Cie XY: „Les Voyages“ am 6. August in der Innenstadt Graz;  Kunstlabor Graz: „Eggenberger Stadtgeflüster“ M 6. August in der Markthalle Eggenberg; Cie Onyrikon & Samson Ogiamien: „Iyagbons Spiegel“ am 7. August im Joanneum/Rosenhain