Wir alle kennen sie, die schwarzen Frauen aus den HipHop- und Rap-Videos der 90er und 00er Jahre. Diese sogenannten Video Vixen, fleischgewordene Träume schwarzer Sänger und erotisches Dekor für deren Phantasien von Reichtum und Macht, seziert die 1988 in den Niederlanden geborene Tänzerin, Choreografin und Performerin Cherish Menzo in ihrer 2019 entstandenen Arbeit „Jezebel“.
Das Bild vom lässig in (s)einer teuren Limousine lümmelnden, goldkettenbehangenden, rappenden schwarzen Macho, umringt von sexy Black Beauties, ist inzwischen zum Klischee für eine ganze Industrie geworden. Die Frauen, Tänzerinnen, Background-Sängerinnen oder einfach nur Begehrende, repräsentieren für Cherish Menzo eines von drei archetypischen schwarzen weiblichen Rollenmodellen, die sie in einem zu „Jezebel“ geführten Interview 2020 erklärt. Diese Stereotype dekonstruiert und verformt Menzo in ihrem hier als Österreichische Erstaufführung gezeigten Solo „Jezebel“.
Die „Saphire“, die „angry mad black woman“, aggressiv und böse, zeigt sie mit Krallen, gigantisch langen Plastik-Fingernägeln. Sie scheint zu drohen, sich selbst und das Außen zu attackieren. Das Animalische in den spielerischen Andeutungen markiert auch den Anfang einer Metamorphose. Die per musikalischem Short-Movie in die Medien der Massen projizierten hypersexuellen schwarzen Frauen tanzt sie später, der Mantel fiel, im hohen Bogen flogen die Nägel durch die Luft, in pinkem Latex, Shorts und Oberteil. Sie zeigt ihr Gesicht, erstmals hier in diesem Stück, ihren Körper und ihre Sexualität. Im riesigen aufgeblasenen goldfarbenen Overall mit angsteinflößenden spitzen Brüsten wird sie die „Mammy“, Kinderfrau der Sklavenhalter, dick und vertrauenswürdig.
Der hebräische feminine Personenname „Jezebel“, deutsch Isebel, wird als Frage interpretiert: „Wo ist Hoheit?“ Im Alten Testament wird der Name Isebel zum Synonym für eine hinterhältige, boshafte Frau. Im Neuen Testament wird der Prophetin Isebel aus Thyatira vorgeworfen, „sie verführe Christen zu Unzucht und dazu, Götzenopfer zu essen.“
Hoheit, Erhabenheit also und Würde, findet die boshafte Cherish „Jezebel“ Menzo nicht in der lächerlich selbstherrlichen Mimik und den goldbeplankten Zahnreihen schwarzer Rap-Bösewichter, live und per Hintergrund-Video demonstriert, und den ihren Werken allzu oft eigenen dumpfen Texten. Deren Aneignung, sie singt mit Auto-Pitch, einer Effekt heischenden elektronischen Intonations-Krücke, und zerhackt die Macho-Attitüde zu hinten projiziertem Worthülsen-Brei, wird zur fragwürdigen Strategie weiblicher Selbstermächtigung. Das gepimpte Fahrrad, mit dem sie zu Beginn ganz langsam die Bühne erschließt, später vorn wie eine Trophäe abgestellt, und der weiße Pelzmantel, dessen sie sich zögerlich entledigt, macht sie zu lächerlichen gattungsspezifischen Symbolen mächtiger männlicher Interessen und Triebe.
Die Story dieser Performance ist ein beeindruckend getanzter emanzipatorischer Prozess, der sein (vorläufiges) Ende findet in einer männlich dominierten (Popmusik-) Welt. Cherish Menzo formuliert mit „Jezebel“ auch eine feministische Ermutigung, das eigene Potential, unter patriarchal induzierten selbstsabotierenden Überzeugungen vergraben, zu erkennen und zu leben.
Diese Vorführung wurde im Rahmen der Vermittlungsarbeit des TQW per Live-Audiodeskription für Sehbehinderte und Blinde und mit Handouts für Menschen mit Hörbehinderung und Gehörlose erlebbar gemacht. Vorbildlich! Für Jänner 2022 ist die nächste inkludierende Veranstaltung geplant.
„Jezebel“ von Cherish Menzo, am 28. und 29. Oktober im Tanzquartier Wien.