Einen feinen Konzertabend bot man im MUTH, wo der großartige Liedinterpret und Bariton Florian Boesch seine Schützlinge präsentierte. Die jungen Künstler*innen studieren Lied und Oratorium an der MDW, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und haben allesamt Potential für ordentliche Karrieren. Das Programm umfasste Interpretationen von Liedern Franz Schuberts, Richard Strauss und Ian Venables, dargeboten in hoher Qualität.
Zu Beginn räsonierte Florian Boesch seine Rolle als Moderator des Abends und legte dar, weshalb er lieber über Dinge sprechen wolle, „die nicht zu googeln sind“. Er erinnerte sich seiner eigenen Studienzeit in Wien und der damaligen Reflexion großer Fragen wie „Was ist Kunst, was ist Kultur?“. Schließlich habe er folgende Antwort gefunden: „In der Politik verhandeln wir, wie wir miteinander leben wollen. In Kunst und Kultur verhandeln wir, wer wir sind“. Da konfrontierten Künstler*innen sich und einander permanent mit der Conditio humana, und so sei auch die Begegnung mit seinen Studierenden stets eine auf „Augenhöhe“.
Die „Florian Boesch-Selection“, wie der programmatische Untertitel lautete, sind die Sopranistin Miriam Kutrowatz, Mezzosopranistin Patricia Nolz, die Tenöre Johannes Bamberger und Christopher Willoughby sowie der Bariton Jusung Park. Alle haben Bühnenerfahrung; Kutrowatz war Mitglied des Jungen Ensembles des Theater an der Wien und ist derzeit im Opernstudio der Wiener Staatsoper engagiert. Lieder sang sie bereits unter namhaften Dirigenten wie Phillipe Jordan, Jordi Savall und Martin Haselböck. Im MUTH kam ihr leuchtender, delikater Sopran bestens zur Geltung mit Liedern von Richard Strauss.
Patricia Nolz war unlängst als Cherubino in Alfred Dorfers Inszenierung von „Le nozze di Figaro“ im Theater an der Wien zu erleben und ist Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. In Barrie Koskys Neuinszenierung von „Le nozze“ im kommenden März wird sie abermals den Cherubino singen. Auch im Musikverein hat sie debütiert, in Purcells „Fairy Queen“ unter Stefan Gottfried. Nolz sang im MUTH Johannes Brahms, wofür ihr voller, runder Mezzo wie geschaffen schien.
Auch Johannes Bamberger gehörte zum feinen Jungen Ensemble des Theater an der Wien. Dort, bzw. im Ausweichquartier der Halle E, war er zuletzt auch in Rossinis „La gazza ladra“ auf der Bühne. Als Lied- und Oratoriensänger sang er etwa beim carinthischen Sommer in Händels „Alexander’s Feast“, und auch in zeitgenössischer Musik konnte er sich schon beweisen, wie in Olga Neuwirths „The Outcast“ im Rahmen von Wien Modern. Bambergers Spezialität des Abends waren fein ziselierte Schubert-Lieder.
Der Brite Christopher Willoughby sang im Chor der Westminster Abbey und absolviert gerade sein Master-Studium in Vocal Performance bei Florian Boesch und Margit Klaushofer. Der vielseitige Tenor sang zuletzt etwa in der Teatro Barocco-Produktion im Schlosstheater Schönbrunn, Ignaz Holzbauers „Tod der Dido“, inszeniert von Bernd R. Bienert. Im MUTH überzeugte er mit seinem gut geführten, klangschönen Tenor und Liedern eines hierzulande wenig bekannten, zeitgenössischen britischen Komponisten, Ian Venables.
Klangvoll, kräftig und ausdrucksstark bot Bassbariton Jusung Gabriel Park aus Südkorea Lieder von Erich Wolfgang Korngold. Bei den Festwochen Gmunden gab er bereits einen Liederabend mit Helmut Deutsch und ist momentan ebenfalls Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.
Am Klavier begleitete Andreas Fröschl die jungen Talente, auch er ein Absolvent der MDW und nun als Liedbegleiter in der Klasse Florian Boesch tätig. Er veröffentlichte bereits einige CDs, darunter „‘360‘ Hugo Wolf“. Der Abend hätte noch mehr Publikum verdient, denn wer weiß, ob man manche oder manchen dieser vielversprechenden Talente so bald wieder in solch unprätentiöser, gechillter Atmosphäre wie im MUTH wiedersehen kann.
Lied - The Next Generation im MUTH. Die Florian Boesch-Selection am 20. Jänner 2023 im Muth