Mit Weihnachten hat das Programm natürlich nichts zu tun, auch wenn die Premiere am 23. Dezember war. Auch wenn der neue Tanzabend des Wiener Staatsballetts mit drei zeitlos-schönen Werken auf Nummer sicher geht, bietet er eine erfreuliche Auswahl an kanonischen Werken der zeitgenössischen Ballettgeschichte, die über jeden Konflikt in ästhetischen Diskursen erhaben sind. Mit Hans van Manen, William Forsythe und George Balanchine kann man kaum etwas falsch machen. Man muss sie nur gut tanzen. Die musikalische Leitung hatte erstmals Matthew Rowe über.
Das erste Stück des Abends ist Hans van Manens „Concertante“, 1994 für die Nachwuchscompagnie des Nederlands Dans Theater geschaffen. Vier Mann-Frau-Paare gestalten gleichsam choreographische Räume zu „Petite symphonie concertante für Harfe, Cembalo, Klavier und zwei Streichorchester“ des 1944/45 vom Schweizer Komponisten Frank Martin geschaffenen Werkes. Dieses reflektiert Martins Verehrung für Johann Sebastian Bach und ist doch an der Zwölftontechnik orientiert. Hans van Manen gestaltete das dichte Klang-Gefüge in seiner unvergleichlichen Musikalität zu einem choreographierten Kaleidoskop aus Musik- und Bewegungsfigurationen. Präzision und Schnelligkeit sind dabei essentiell, und ebenso wie für Balanchine und Forsythe sind auch für van Manen die Führung der Hände ein absolut wichtiges Detail. Alles in allem ein passabel getanztes Stück, vielleicht auch deshalb, weil der wunderbare Choreograph mit Ballettdirektor Martin Schläpfer befreundet ist und persönlich zugegen war.
Dann folgte eine echte Ikone dekonstruktivistischen Klassischen Tanzes, „In the Middle, Somewhat Elevated“ von William Forsythe. Er hatte das Stück 1987 für die Étoiles der Pariser Oper kreiert, darunter auch Schläpfers Vorgänger am Wiener Staatsballett, Manuel Legris. Damals war das ein typisches 1980er-Jahre-Stück zur elektronischen Musik von Thom Willems, das die Ästhetik der Zeit und Forsythes Genie der dekonstruktiven Arbeit widerspiegelte und Form durch Bewegung behaupten wollte.
Auch heute noch ist das abstrakte Spiel um die hoch gehängten Kirschen stark und mitreißend, unter der Voraussetzung, dass die technisch höchst anspruchsvolle Choreographie gekonnt getanzt wird. Das gelingt leider mäßig in der aktuellen Besetzung, auch wenn etwa Hyo-Jung Kang, Kiyoka Hashimoto und natürlich Davide Dato die Technik durchaus beherrschen. Doch es fehlt insgesamt am Gespür für richtige Phrasierungen. Die Kirschen hängen offensichtlich zu hoch für das Staatsballett.
Und schließlich der Übervater neoklassischen Tanzes, George Balanchine, mit dem „Brahms-Schoenberg Quartet“ in vier Sätzen. Dramaturgisch ist dieses Spiel mit liebreizenden Paar-Tändeleien etwas angestaubt, aber natürlich erkennt man bei genauem Betrachten der Linien und des Bewegungsfluss den Meister sehr wohl. Auch hier sind Technik und Wissen gefordert, und abermals bleibt die Ausführung durchschnittlich, aber wenigstens ja auch nicht schlecht.
Insgesamt ein braver Abend ohne Risiko, der gut zum Ausführen schöner Abendgarderobe taugt und dem Publikum nicht viel Geduld abverlangt.
Wiener Staatsballett: „Shifting Symmetries“. Choreographien von Hans van Manen, William Forsythe und George Balanchine. Premiere am 23. Dezember 2023 an der Wiener Staatsoper. Nächste Vorstellungen: 27. und 29. Dezember, 2. Jänner 2024.