Ein mit dunkelgrauen, interpretierbar als „Betonstückchen“ übersäter, dicht bedeckter Bühnenboden, auf dem in nebelig grauem Gegenlicht drei Gestalten reglos verharren: Eine vielversprechende, kühl-bedrohliche Einstimmung auf ein Tanzstück, das aufzeigen will, was „das Leben in einer großen Stadt ausmacht“, das „Assoziationen zum Leben“ ebendort sinnlich wahrnehmbar machen möchte.
Yaron Shamir, geboren in Israel, in Berlin lebend und als Gastchoreograf, Tänzer und Workshop-Leiter international gefragt, entwickelte dieses Stück 2019. Der thematische Kern dreht sich um Machtverteilung, Überlebenskampf und um die temporeichen Veränderungen in der (städtischen) Gegenwart. Die inhaltliche Komplexität mag ein Grund gewesen sein, dass er Daniel Tille, in Deutschland ausgebildeter und gefragter, seit 2018 freischaffender Schauspieler, aufforderte, einen Text dazu zu schreiben; einen, der im Laufe der tänzerischen Probenarbeit entstand und von Tille, eng verzahnt mit der Choreografie, performativ umgesetzt wird.
Die von Shamir mit dem und für das Ballett Graz erarbeitete Fassung habe sich, so der für die Dramaturgie verantwortliche Grazer Ballett Direktor Dirk Elwert, im Vergleich zur ursprünglichen Version sehr verändert. Die im Zuge dessen individuell mit den und für die TänzerInnen entwickelten Bewegungssequenzen kommen einige Male kurz, aber überzeugend zum Tragen; veranschaulichen, was aus den einzelnen TanzkünstlerInnen herauszuholen ist. Gleiches gilt auch für einzelne Ensembleszenen, wobei das fantastische Licht, das ebenfalls von Shamir gestaltet ist, keinen unwesentlichen Part hat.
Derart, und in einzelnen Passagen auch unterstützt von der treibenden Musik (Sandrow M) entsteht das, was atmosphärisch als Abbild gejagter Jagender intendiert sein mag. Aber ein griffiger Spannungsbogen baut sich nicht wirklich auf. Die angestrebte Synergie von Wort und Tanz stellt sich nur selten ein, ist nur manchmal kurz bereichernd und deckt nicht selten die erhoffte und mögliche Ausdrucksstärke von Bewegung, die sie jenseits des Wortes hat und haben sollte, weitgehend zu; ohne deswegen, bei aller Darstellungsdramatik im langen, schwarzen Mantel, eindringlichen Biss zu haben.
So manches Mal rollt, springt, fließt und dreht sich, verrenkt und windet sich akrobatisch bestaunenswert, immer wieder auch explosiv das Visuelle zwar temporeich über die Bühne, hinterlässt aber kaum, weil wenig strukturiert, inhaltlich aussagekräftig oder nachvollziehbar, und auch immer wieder in Wiederholungen etwas plätschernd, tiefere Spuren. Am ehesten noch, wenn zeitlupenartig die (Bewegungs-) Einschränkung, die individuelle Freiheitsbegrenzung bedrückenden Ausdruck finden; so etwa auch in den seltenen, kurzen Soli respektive in einer Art Pas de deux.
Ballett der Oper Graz: „Urban Wolves“, Premiere 19. Juni 2024, Studiobühne der Oper Graz. Weitere Vorstellungen am 22., 27. und 29. Juni sowie in der Saison 2024/25