Seit 2014 bietet der mit den künstlerischen Kommunikations-Mitteln eines ‚Cirque nouveau‘ arbeitende Grazer Verein Akrosphäre unterschiedliche Möglichkeiten, Erfahrungen mit akrobatischem Heben im weitesten Sinne zu machen. Und: dieses Können in kreativer Form auf der Bühne umzusetzen und somit neue Perspektiven zu vermitteln.
Das seit 2016 alljährlich veranstaltete Festival, bei dem zusätzlich zu kleineren und größeren Eigenproduktionen auch solche internationaler Gäste präsentiert werden, feierte heuer seine 10. Ausgabe: „Circus in the Cave“ mit einem Abschlussprogramm nicht nur erstmals im imposanten Rahmen des ‚Dom im Berg‘, sondern auch mit der Ankündigung, dass ab 2025 eine eigene Halle für Training, Workshops und Präsentationen zu Verfügung stehen werde.
Dass es derart ein Zirkuszentrum in der Stadt geben und also die Kunstform des „Neuen Zirkus“ etwas stärke ins regionale Bewusstsein rücken werde, ist schon grundsätzlich sehr erfreulich; dass es seine Berechtigung habe, das bewies der Galaabend mit seinem vielfältigen zweistündigen Programm.
Bereits im Vorprogramm, in „Bedtime Stories“, zeigten Julia und Sophie, das Silks-Duo der Grazer Akrosphäre, mit, auf, in, unter und zwischen den beiden von der ‚Kuppel‘ herabhängenden, weißen Tüchern, was es an konkreten wie beziehungsimmanenten Verwicklungen so alles geben kann: einengende wie tragende, ja befreiende ‚Umwickelungen‘, erhebende wie Halt gebende; für den einzelnen wie für das Gemeinsame zutiefst notwendige.
Bei den folgenden vier Produktionen handelte es sich um aus Bewerbungen ausgewählte, beginnend mit Lina Polerina, einem Aerial Trio, das Akrobatik und zeitgenössischen Tanz in zwei hängende Ringe hoch kompliziert und kaum nachvollziehbar ‚hineinzuschlingen‘ und zu posieren vermag.
Mit verspieltem Witz und ‚ein paar Bällen‘ – letztlich sind es 6 (!) an der Zahl, die er gleichzeitig durch die Luft wirbelt – fesselt Mister Pointless die Aufmerksamkeit im vollbesetzten Saal: nach einem Intro mit Hut lässt er in seiner Jonglage nicht nur die Hände, sondern auch Fuß und Stirn mit den Bällen interagieren – die Zuschauer-Augen kommen bei aller Offenheit nie wirklich nach.
Zum gemeinsamen Tee-Trinken holt das Duo NoNa: Mit amüsanter Mimik kommentieren sie ihr herausforderndes Bemühen in partnerakrobatischem Zusammenspiel – all das ‚schlicht‘ um ein paar Schluck des begehrten Safts.
Um eine ganz andere Art ‚heikler‘ Beziehung geht es Sasha, wenn sie sich mit geradezu einfühlsamer Aufmerksamkeit um die ‚Bändigung‘, nein, um ein Miteinander mit ihrem Cyr Wheel (erfolgreich) bemüht.
Die aus der Slowakei stammende Aerial-Tänzerin Ariadna Vendelova vermag in ihrer 10minütigen Performance „The Heart“ Bewegungspoesie in die Luft zu zaubern. Ihre hochqualifizierte Körperbeherrschung und -Technik visualisiert eine berührende Bandbreite von Emotionalität zwischen unbändiger Freude und erschöpfter Verzweiflung. ‚Herzzerreißend‘ könnte eine (naheliegende) Charakterisierung lauten, tief berührend eine weniger theatrale.
45 Minuten lang lassen das „Trio Les Triphasés“ aus Frankreich mit ihrer Produktion „Kostüm“ ein packend-bezauberndes wie charmant-witzig-humorvolles Spitzen-Akrobatik-‚Gesamtkunstwerk‘, am Boden, am Schleuderbrett und in Partnerakrobatik über die Bühne rollen und schweben. Ein derartig homogenes, in mehrfacher Hinsicht scheinbar schwereloses Verbinden unterschiedlichster Ausdrucks- und Kommunikationsformen sucht Ihresgleichen. Ein entspannend atemberaubendes visuelles Vergnügen, das - mit vielleicht ein wenig Gesellschaftskritik – ureigene Unbeschwertheit mit nahezu kindlicher Intensität genießen lässt.
Akrosphäre: “Circus in the Cave”, Gala Show des 10. Grazer Akrobatikfestivals, 2. November 2024 im Dom im Berg