Sie sind schlichtweg begeisternd, die Tänzerinnen und Tänzer im Linzer Musiktheater, wenn sie Emanuel Gats “Lovetrain 2.0” auf die Bühne zaubern. Zu Hits von Tears of Fear aus den 1980er Jahre liefern sie eine Liebeserklärung an den Tanz, getragen von einer Choreografie, die den Inpret*innen größtmögliche individuelle Freiheit zugesteht.
Der israelisch-französiche Choreograf Emanuel Gat, der kürzlich mit seiner eigenen Compagnie im Festspielhaus St. Pölten gastierte (tanz.at berichtete), stellt seinen Tänzer*innen Aufgaben, auf die sie ihre eigene Bewegungsantwort finden. Seine eigene Bewegungssprache den Tänzer*innen aufzuoktroyieren, hält er für “beinahe faschistisch”, ist im Abendprogramm zu lesen. Naja … Gleichzeitig gibt Gat keinen Raum für Improvisation, sondern hat das Stück stringent durchkomponiert.
In Linz haben Andrea Aguado Campo, Elena Sofia Bisci, Matteo Cogliandro, Ilia Dergousoff, Mischa Hall, Yu-Teng Huang, Katharina Illnar, Elisa Lodolini, Angelica Mattiazzi, Pavel Povrazník, Lorenzo Ruta, Arthur Samuel Sicilia, Nicole Stroh, Hinako Taira, Pedro Tayette und Fleur Wijsman die Inhalte geliefert.
Daher schaut die Linzer Ausgabe des Stücks wahrscheinlich großteils anders aus als das ursprüngliche “Lovetrain2020”, das unmittelbar nach der Pandemie bei Montpellier Danse seine Premiere feierte. Was gleich geblieben ist, ist die choreografische Struktur und die mitreißende Energie, die sich besonders in den Ensembleszenen durchsetzt. Dafür bietet der unwiderstehliche Rock-Pop-Synth-Sound der 1980er Jahre der britischen Band Tears of Fear eine kongeniale musikalische Grundlage.
In einer von multiplen Krisen geschüttelten Welt liefert Tanz Linz mit “Lovetrain 2.0” eine willkommene Einladung in den unwiderstehlichen Charme einer Zeit, die die Extravaganz, ja die Exzentrik feierte. Dieses Gefühl wird durch die bunten und fantasievollen Kostüme von Thomas Alfred Breadley untermauert.
In den Gruppentänzen zu Hits wie “Mad World”, "Shout" oder dem Titelsong “Sowing the Seeds of Love”, der das Stück beschließt, kommt einfach Freude auf, wenn sich die Tänzer*innen in ihren exotische Kleidern wie auf einem Spielplatz tummeln. “Lovetrain 2.0.” ist gleichzeitig ein bewegter Gedankenstrom, wenn sie sich in den Pausen der Stille zwischen den Songs mit ihren persönlichen Soli und damit ein Spektrum der Bewegungssprache von hyperagil und quirlig bis zu nachdenklich und meditativ präsentieren.
Ästhetisch ansprechend sind die Lichtöffnungen im Bühnenhintergrund, die sich in der Höhe verändern und jeweils kleine Ausschnitte auf die Hinterbühne freigeben. Doch insgesamt hat sich Gat, der auch für das Lichtdesign verantwortlich zeichnet, für eine ziemlich düstere Beleuchtung entschieden, als wolle er die positive Energie einbremsen. Denn vieles, was da an virtuosem, lustbetontem Tanz passiert, findet im Schatten statt. Schade, denn gerne hätte man diese Tänzer*innen öfter im vollen Scheinwerferlicht gesehen. Erst am Ende, wenn der Lovetrain noch einmal auf Hochgeschwindigkeit beschleunigt, bekommen sie es – zusammen mit dem Jubel des Publikums.
Tanz Linz: “Lovetrain 2.0.” Premiere am 26. Oktober, gesehene Vorstellung am 7. November im Musiktheater Linz. Weitere Vorstellungen am 17., 29. November; 19. Dezember 2024; 10., 18., 31. Jänner, 8. Februar, 25. März und 25. April 2025.