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versagt3Das Aktionstheater Ensemble betreibt Seelenschau. Was ist schief gelaufen, dass wir in einem derartigen politischen Rechtsruck scheinbar unausweichlich gelandet sind? Ausgangspunkt der Produktion, die Anfang Dezember in Dornbirn zur Uraufführung kam, ist die toxische Männlichkeit des neuerlich gewählten Präsidenten der USA, Donald Trump. Nun ist das Stück in Wien und Österreich steuert auf einen Kanzler Kickl zu.

Vergleiche mit den 1930er Jahren drängen sich auf. Und so erinnert mich auch die Darstellung der individuellen Befindlichkeit in “Wir haben versagt” an “Cabaret”, dem Musical, in dem die dekadente Berliner Nightclub-Gesellschaft ins Desaster rast, ohne die politischen Umwälzungen richtig wahr zu nehmen. Während "Cabaret" in den 1960er Jahren mit dem Blick der Nachwelt auf die Geschichte schaute, tauchen wir mit dem Aktionstheater Ensemble in die performative Tragödie unserer Zeitgenossen ein. versagt4

Die Rolle des Conferenciers übernimmt Thomas, der zu gerne seine "männliche Pracht" herzeigt (“nur wenn es dramaturgisch absolut erforderlich ist”, verteidigt sich das Nackerbatzi). Benjamin plappert wie ein Besessener von seiner Reise nach Sri Lanka und streut dabei ein postkoloniales Vorurteil nach dem anderen ein, die er alle vor Ort rundum bestätigt fand. Monica spricht seit der Wahl nicht mehr und übersetzt die Monologe aller (die nicht einmal ansatzweise zu Dialogen werden) in Gebärdensprache. Und schließlich Zaynep, die sich in existentieller Tristesse besäuft. Wie auch die anderen: der Suff als Ausweg. 

versagt4Die Bar wird von Danielle Pamp bedient, die, beleitet von Jean Philip Oliver Viol im Laufe des Abends hinreißende Lieder singt. Das Versprechen auf dem Plakat zur Produktion – “Mit guter Musik, um die Tragödie zu ertragen” – wird mit melancholischen Leonard Cohen Songs und groovigen Eigenkompositionen eingelöst.

Das Bühnenbild (Valerie Lutz) schafft unterschiedliche Spielebenen. Auf einem Tisch lagert Badeschaum, mit dem die Darsteller*innen auf dem Tanzboden ihre Spuren ziehen und der im Video (Resa Lut) derart anwächst, dass er am Ende alles verdeckt: Die Diktatoren dieser Welt ebenso wie Donald und Melania Trump, die in inniger Umarmung tanzen – während auf der Bühne Monica von Thomas (vor-)geführt wird.versagt1

Regisseur Martin Gruber ist seinem Theaterkonzept treu geblieben: eine schrille Überdrüber-Aktion jagt die andere in rasanter Abfolge, in die kleine und wirkungsvolle choreografische Routinen mit Live-Musik eingestreut sind. Mit pointierter Treffsicherheit legt er den Finger auf die Wunden und stochert darin herum. Doch wo üblicherweise der Humor den Schmerz überspielt, wird er diesmal von Trostlosigkeit überlagert. Das Lachen bleibt mir buchstäblich im Halse stecken. Die sympathischen Darsteller*innen und ihre Schrullen kommen gar nicht mehr als liebenswert über die Rampe. Der Befund ist vernichtend: Das alternative Narrativ zum Patriarchat der Rechten ist ebenso egozentrisch gepolt und nimmt das Gegenüber ebenso wenig wahr. Ein fatales Versagen.

Aktionstheater Ensemble: “Wir haben versagt” am 14. Jänner im Werk X. Weitere Aufführungen bis 19. Jänner

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