Die in Braunau geborene und in Wien lebende Tänzerin und Choreografin Magdalena Forster begibt sich mit ihrem Solo „Hearth“, hier als Erstaufführung gezeigt, in vertraute Gefilde. Den Kunstschmiede-Betrieb ihres Vaters, inzwischen übernommen von ihrem Bruder Simon, der auch die geschmiedeten Objekte fertigte, macht sie zur universellen Heim- und Brutstätte von Bildern und Prozessen.
Der Bühnenbildner Lukas Kötz gestaltete aus den eisernen Objekten von Simon Forster, Objekten aus Wachs und der Installation des Publikums als durchlässige Eingrenzung der Bühne einen reduzierten, strukturierten Raum im Studio des Tanzquartieres Wien. Gemeinsam mit dem Licht von Christina Bergner und den Klängen Milena Georgievas, die aus verfremdeten Field-Recordings und elektronischen Sounds eine - dem Tanz ebenbürtige - assoziative akustische Kulisse schafft, entsteht eine Manufaktur für Metaphoriken für Arbeit, Materialien und Energien.
Wachs und Eisen symbolisieren jene Pole, zwischen denen Forster sich bewegt. Das Weiche, als Ursprung und Quelle sich Darbietende, zur Formung Einladende und Auffordernde, und das Solide, schon Geformte, das wie ein Vorschlag sich Präsentierende, das sich scheinbar jeder Veränderung Widersetzende und das dennoch, im Wirken von großen Energien und Zeit, zu einem Stadium wird, nur Repräsentant eines laufenden Prozesses. Die sinnbildliche Kraft, die sie allein aus diesen Materialien in dieser Kombination herausarbeitet, fasziniert.
Sie enthauptet sich selbst mit ihrem Kopf hinter dem Vorhang. Gleich zu Beginn entmachtet sie Gedanken, Denken und Geist, versinkt in Kontemplation. Die Flöten, mit denen sie dann mono- und polyphone Klänge erzeugt, sind kleine Orgelpfeifen, Bildnisse einer geradezu sakralen (Be-) Deutung jener Heim- und Werkstätte, die sie verlassen wird. Sie verschwindet und gibt damit auch der inneren Wirklichkeit ihren Raum, zu sein und sich in die Wahrnehmung emporzuarbeiten, einer Wirklichkeit, die alle denk- und undenk-, weil nur fühlbaren Visionen von uns selbst bereits beinhaltet. Es kommt darauf an, zu repräsentieren. Und die Repräsentation ist unsere Wahl.
Knisternde Feuer nach ihrer Rückkehr, mit starkem Tonus stoßen und holen ihre Arme. Harte Arbeit. Das erste, was sie in die Feuerstelle schiebt, ist ihr Kopf. Weil die Gedanken die Flamme entfachen, die Formbares und Formung ermöglichen. Um dann selbst als Flamme zu züngeln in sich drehender Skulptur. Ein wunderschönes Bild. Das Licht wird rot, Knistern und metallische Klänge, Arbeit. Das Herz pocht laut, das Material, physisch-psychische Hard- und Software, ist widerständig.
Eiserne Geisha-Schuhe, die ebenfalls zur Klangerzeugung taugen, fertigte ihr Bruder ihr. Womit er seine Schwester zur „Person der Künste“ (wörtliche Übersetzung des japanischen Begriffes „Geisha“) ernennt. Und zur Bewahrerin alter Traditionen, Handwerke und Tänze. Dass Magdalena Forster dann auch einer Zuschauerin ein solches Paar Schuhe unter deren Füße schnallt und hinein blasend Flötentöne erzeugt, erscheint wie eine Verbeugung vor dem Publikum und eine Mahnung zugleich. Haltet nicht fest! Legt mich nicht fest! „Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht.“
Sie arbeitet hart. Der Sound kreischt dazu. Ihr Tanz ist ein ästhetischer Genuss. Kraftvoll und weich, biegsam und erdig, ausdrucksstark, fein, bescheiden, ohne Attitüde. Der Sound splittert, der Herzschlag verhallt. Im metallischen Wand-Spiegel, sie tanzt bei dessen Freilegung die verführerische Kraft des Schleier der Maya, erforscht sie sich und wertschätzt ihre Körperlichkeit, ihr So-Sein in seiner Gesamtheit. Sie ist Werkzeug, Werkstück und vielschichtige Metapher in einem. Sie dreht Narzissmus in gesunde Selbstliebe.
Sie ist die Formende und das Geformte, ist die Ändernde und das Geänderte, ist Ursache und Wirkung in einem. Weil wir Teil sind eines Ganzen, das wir prägen und das uns prägt. Sie ist Innehalten und Tun, Entspannung und Anspannung, Aktion und Reaktion, hart und weich, unbelebt und belebt, Widerstand und Hingabe, Festhalten und Loslassen, Schöpfer und Geschöpf, Zerstören und Erschaffen, Virtuosität und Kreativität, Materialität und Spiritualität.
Sie ist langsam und schnell, Statik und Dynamik, Stille und Lärm, Klang und Stimme, digital und analog, Bestimmtes und Unbestimmtes, Ordnung und Freiheit, Licht und Dunkel, Sichtbares und Verborgenes, Spiegel und Spiegelbild, Zerstörer und Erschaffer, Physisches und Metaphysisches. Sie vereint Yin und Yang auf so poetische Weise. Großartig.
Die Sensibilität, mit der sie Vertrautes, Heimat, durch Distanzierung als Metapher identifiziert, mit der sie vermeintlich Alltägliches in Bild wandelt, ist beeindruckend. Sie begibt sich hinein in die Zustände, um aus dem Sein das Potential zu destillieren, das Gegenwart enthält. Neben darin eingeschriebener Vergangenheit komponiert das Seiende bereits Zukunft, deren Räume die Choreografin durch Bewusstwerdung des Manifesten weitet.
Der spirituelle Gehalt der Arbeit ist immens. Magdalena Forster verbindet. In „Hearth“ bewegt sie sich zwischen den Polen, überwindet die Dualität als solche und kreiert damit ein Reich, in dem das Alte dazu dient, es wertzuschätzen, aber ihm zu entwachsen, in dem das Andere als Spiegelbild erkannt wird, in dem durch Synthese Neues entstehen kann. „Hearth“ ist Utopie, ist Zukunft. Die einzig mögliche Zukunft. Vollkommen unbestimmt.
Viele schöne Bilder fand sie für viele unterschiedliche Aspekte, reduziert in ihrer Ästhetik, reich in ihrer Formensprache. Sie umschifft in dieser Arbeit jegliche sich thematisch durchaus anbietenden Plattitüden weiträumig. Mit der metaphorischen Komplexität und Universalität dieser Arbeit und der mit ihr offenbarten poetischen Potenz, dem tänzerisch-performativen Niveau und ihrer unprätentiösen, dem Sujet dienenden Attitüde reiht sich Magdalena Forster ein in die erste Reihe der österreichischen Tanz- und Performance-KünstlerInnen.
Am Ende legt sie sich zum Amboss. Sie ist die züngelnde Flamme in der Feuerstelle, die Veränderung ermöglicht, ist die Schmiedende und das Geschmiedete, das Ausgangsmaterial und das Produkt. Sie ist der Prozess, wissend um ihre Form und ihre Formbarkeit, offen für das Leben und die Kunst, empfangend all das, was ihr entströmen wird.
Magdalena Forster: „Hearth“ am 30. Jänner 2025 im Tanzquartier Wien.