Das enge Zusammenspiel zweier Kunstgattungen kann mehr als die Summe seiner eigenständigen Einzelformen: Das aufzuzeigen, diesem Mehrwert Raum zu geben, trat Valentina Moar vor nunmehr 10 Jahren an: Die künstlerische Verbindung von Tanzkunst und Filmkunst sollte endlich auch in Österreich eine Plattform erhalten; eine für diese Kunst und ihre Künstler so wie für ein Publikum mit offenen Augen. In diesem Jubiläumsjahr bot das dreitägige Festival einen Raum für 49 ‚bewegte Bilder‘.
Bietet es doch wie eine Galerie die Möglichkeit, unterschiedlichste visuelle Werke im unmittelbaren Vergleich kennenzulernen. Die Formenvielfalt ist wie ihr Inhalt nahezu unbegrenzt und damit Jahr um Jahr überraschend neu. Nicht nur, weil es eine relativ junge Kunstgattung ist, sondern auch, weil die Kuratorin Moar aus den über dreihundert internationalen Einsendungen neuer Arbeiten die kreativsten auswählen kann: Die künstlerische Qualität, basierend auf dem Anspruch der Stimmigkeit von Form und Inhalt, ist oberstes Kriterium. Zeitimmanenz eines der weiteren. Und diese spiegelte sich in der diesjährigen Ausgabe ganz besonders markant.
So konnte man während des Festivals im Kellerkino des Kunsthauses eine gut 10minütige Videoinstallation erleben, die dank aktueller Technik dem Ephemeren des Tanzes ein Schnippchen zu schlagen versucht: Setzt sich doch die Bewegungs-Kraft zweier tanzender Körper über deren Grenzen hinaus fort in den digitalen Bühnen-Raum; insbesondere die geradlinige Erweiterung der fließenden Bewegungen ist von innovativer Intensität. „Oltre il Velo/ Beyond the Veil“ ist eine Auftragsarbeit des Teatro alla Scala an Moar als Choreografin und an die Videokünstler Judith Selenko, Peter Venus sowie den Komponisten Bojan Vuletić.
Tanz, Film und AI treffen aufeinander in „2 Human in the Loop“. Das ergibt eine experimentelle Verbindung von KI generierter Choreografie einer bestehenden Choreografie zweier durch KI angeleiteten Performer. Dieser Versuch reizt die Übergänge von Realität und Virtualität, Mensch und Technik aus; und damit auch (noch) das rezeptive Potential mancher Zuschauerköpfe. Aber sich derartigen Neuerungen zu stellen, tut not.
Sich dem künstlerischen Input eines international tätigen, vielfach ausgezeichneten und für seine theoretischen Arbeiten hochgeschätzten Choreografen zu stellen, wagten hochbelohnt die Teilnehmer eines Workshops mit Douglas Rosenberg, der zu den führenden Künstlern im Bereich von Screen Dance zählt – sowohl was Theorie als auch die damit verbundene Praxis betrifft. Und auch das Publikum profitierte von diesem besonderen Gast: Sein gut 60minütiger Schwarz-Weiß Feature- Film wurde als Special Guest Film gezeigt. Eine in ihrer geradezu epischen Breite und feinfühligen Ruhe überaus intensive Auseinandersetzung dieses Künstlers mit der ihm wichtigen Natur so wie eine mit der Beziehungsfähigkeit unter und zwischen Männern im fortgeschrittenen Alter. Nachhaltig berührend, wie diese Bilder der Bewegung eines Mit- und Zueinander Schattierungen von Arten der Kommunikation und aufkeimender Emotionalität aufzuzeigen vermögen.
Rosenberg war schließlich auch Jurymitglied. Er, sowie die renommierte Journalistin Francesca Pedroni (Italien) und der seit 2023/24 sehr erfolgreich als Ballett-Direktor am Grazer Opernhaus tätige Dirk Elwert vergaben am Ende des Festivals mehrere Preise.
Eines Festivals, das von einer im Vergleich zu vergangenen Jahren größeren thematischen Ernsthaftigkeit geprägt war. Viel an Suchenden und an Suche war da zu sehen, zahlreich die Infragestellungen und Hinterfragungen verunsicherter Menschen. Die hohe künstlerische Qualität aller Filme machen eine Bewertung nicht einfach und sie wird, bei aller Expertise der Entscheidenden, immer auch eine individuelle sein. Die Auszeichnungen wurden vergeben an:
Best Student Film: „Umma“ von Young-Ju Yoo, Niederlande. Das Ungesagte in einer Mutter -Tochter Beziehung ist hier das metaphorisch skizzierte Thema.
Best Cinematography: „Winterreise“ von Xiaoming & Dameng, China. Ein Aufzeigen von Hoffnung in einer Welt unter Druck gelingt hier mit feinem filmischen Strich: kulturell geprägt und doch allgemeingültig zeigen einfach-klare Bilder Tiefgründiges auf.
Best Choreography: „Naval Ode“ von Fu Le, Portugal. Die Beziehung zwischen Mann und Frau wird hier in einem ‚horizontalen Fließen‘ (die Künstler sind auf elastischen Seilen verankert), in einem dynamischen Wechsel von Nähe und Abstand, also mit ungewöhnlicher Bildhaftigkeit veranschaulicht. Eingefügt in begrenzende architektonische Gegebenheiten bleiben Ausnahme-Perspektiven lange haften.
Best Film: „West“ von Thomas Bos, Netherlands. Ein ‚Reisebericht‘ der höchst außergewöhnlichen, immer wieder überraschenden Art; erzählt von einer kreativen Kamera und Männern, die vor allem den Breakdance - filmtechnisch in Loops verfremdet - als Ventil ihrer kommunikativen Bedürfnisse verwenden. Eigenwillig amüsant.
10. DANCE ON SCREEN, 14. bis 16. November 2025 in Kunsthaus Graz
