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WoWalzer1Was ist Heimat, wie fühlt sie sich an? Kann man Heimat riechen? Oder schmecken? Für wen ist was Heimat? Wo ist Heimat? Das kollektiv kunststoff versetzt die Zuschauenden dafür in einen Dachboden voll mit Kisten, Krimskrams und Erinnerungen und stöbert anhand eines Freundschaftsbuches diesen Erinnerungen nach. Wie ist dein Name? Was war dein Lieblingsessen? Was wünscht du dir? Und was hat das alles mit Walzer zu tun?  

Der Walzer „An der schönen blauen Donau“ ist ein „Code für ein bestimmtes Gefühl“, spürt sich vertraut und heimelig an, gehört einfach dazu… Diesem Gefühl spürt das kollektiv kunststoff nach, und findet es in unterschiedlichen, sehr persönlichen Zugängen. Da ist das Lied, die Melodie, der Rhythmus, der berauscht und Freiheit verspricht. Da ist der Geruch aus der Kindheit, der Sicherheit und Wohlbefinden verströmt, in den es sich versinken lässt. Da ist das kleine Olivenbäumchen, der an den Traum von einer Welt voller Olivenbäume der Kindheit erinnert und vergessene Melodien wieder erstehen lässt. WoWalzer2

Und da ist das Tagada, dieses Ringelspiel im Prater, diese Herausforderung an Körper und Mut, an Rausch und Spiel. Raffi (zart, anmutig und wild zugleich Raffaela Gras) wird aufgerufen (von der stimm- und rhythmusgewaltigen Theresa Eipeldauer): das Meidlinger Kind, das nichts lieber tut als im Tagada in der Mitte der Plattform zu stehen und sich dem wackelnden Gerumpel auszusetzen, das Wilde zu genießen und sich selbst zu spüren. Der Gegenwind bläst, das Schlagzeug hämmert, Heimat kann sich auch so richtig wild anfühlen. Bis Raffi erzählt, dass sie nie mehr zum Tagada geht, seid ihr das Peinlichste aller möglichen Peinlichkeiten passiert ist: sie gerät vor all ihren Schulfreund:innen im Tagada aus dem Gleichgewicht, fällt in der Mitte der Plattform vor allen auf die „Goschn“. Dieses kleine Stück Heimat ist damit verloren. Auch das passiert.

Mit dem Feingefühl, dem aufeinander eingespielten Timing und der tänzerischen Freiheit (in der Selbstbeschreibung konzeptionell, intuitiv, interdisziplinär, prozessorientiert, mutig), für das das kollektiv kunststoff in all seinen Produktionen (wie z.B. „Schrei“ aus dem Jahr 2023, oder „MeinallesaufderWelt“ aus dem Jahr 2021) steht, geht die Performer:innengruppe an dieses schwierige, weil komplexe und auch politische Thema heran, in Koproduktion mit dem Johann Strauss-Jahr 2025. Dass, obwohl „Walzer“ im Titel, sich keine Walzerseligkeit ausbreitet, ist erleichternd und der breiten Beschäftigung mit dem Konzept Heimat geschuldet, und auch dem Konzept des Kollektivs, das mit seinen Produktionen„zum Nachdenken anregen“ und „Bewusstsein schaffen“ möchte.

WoWalzer3Christina Aksoy begleitet dramaturgisch, stellt die verschiedenen kleinen Heimatgeschichten in einen großen erzählerischen Bogen, während Stefanie Sternig für die kraftvolle und mitreißende Choreographie verantwortlich zeigt. Bühne und Kostüm stammen von Sophie Baumgartner und Jo Plos, das Licht von Bartel Kubiak. Die herausragenden Musiker Peter Plos und Didi Kern sind genauso tragender Teil der Performance wie die teils auch live eingespielten Videosequenzen (Waltraud Brauner, Thomas Planitzer), die die kleinen Bewegungen groß an die Bühnenwand spielen, wenn z.B. aus Orangen und Gewürzen ein berauschender Geruchscocktail entsteht, der von den Performer:innen und Mit-Choreograph:innen Michael Gross, Kamil Mrozowski, Kamel Jirijawi und Raffaela Gras umtanzt und auch ins Publikum gestreut wird, denn: Gerüche „schlagen Funken, Feuerwerke im Hirn, so viele Erinnerungen. Alles zugleich.“ 

Am Ende wird die Bühne leergeräumt und mit wilder Freude und ansteckender Wildheit betanzt: Heimat kann auch Bühne sein.

kollektiv kunststoff: "Wo ist Walzer?" in Kopoduktion mit Johann Strauss 2025 und Junge Theater Wien. Performance für Menschen ab 12 Jahren am 20. November 2025 in der Brotfabrik.

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