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Fledermaus 1In Roland Petits „Die Fledermaus“ trifft Wiener Walzer auf französischen Esprit. Das Ergebnis ist eine rasant-liebenswerte Satire, die nur sehr vage mit der gleichnamigen Operette von Johann Strauss korrespondiert. Sie wartet mit einem noch verrückteren Narrativ auf, das einer gewissen Logik durchaus entbehrt. Doch Petit hat es geschafft, diese Geschichte tänzerisch so brillant zu erzählen, dass das überhaupt keine Rolle spielt.

Es ist auch wirklich nicht von Bedeutung, wenn Johann (aus dem Ballett) nächtens als Fledermaus davonfliegt, während Dr. Falke (aus der Operette) lediglich betrunken in einem Fledermauskostüm ausgesetzt ist. Dessen „Fledermaus-Racheplan“ wird im Ballett zur Rache der betrogenen Ehefrau Bella, die ihren Mann verführerisch in eine Falle lockt, um ihm danach die Flügel zu stutzen, indem sie sie abschneidet. Nun ist sein nächtliches Transportmittel in diverse Etablissements dahin – und sie hat ihn wieder brav bei sich zu Hause. Damit rückt Petit das anfangs gezeigte Sittengemälde einer Biedermeier-Familie (mit fünf Kindern und einem Stubenmädchen) in ein ungleich boshafteres Licht. Die Frage ist: Wer hat hier die Macht?

Diese Geschichte, die aus unterschiedlichen literarischen Quellen zusammengebastelt wurde, findet im Walzerkosmos von Johann Strauß Sohn einen heimeligen Platz. Douglas Gamley hat dessen Musik zu einem Best-of-Medley zusammengestellt und dabei auch auf Kompositionen von Johann Strauß Vater und Josef Strauß zurückgegriffen.

Fledermaus EsinaAfshaar3Dieses zeitlos amüsante Ballett (entstanden 1979), in dem es – wie in der Operette – um Verwandlung, Verkleidung und Täuschung geht, wird vom Wiener Staatsballett mit überwältigendem Charme und Witz verkörpert. Roland Petit hat für jede Rolle ein passendes Tanzmotiv gefunden. Das ästhetische Highlight ist der Pas de deux zwischen Johann und Bella im Gefängnis, bevor sie ihm die Flügel abschneidet.

Davide Dato lässt als g’schaftiger Ulrich keine Pointe aus. Er ist der Regisseur von Bellas Plan, ihren Mann von seinen nächtlichen Abenteuern wieder zurückzuholen. Und er revanchiert sich dabei auch gleich bei seinem Rivalen, der letztlich in Bellas Gunst die Oberhand behält. Timoor Afshar spielt Johann, den attraktiven, arroganten und doch charmanten Filou, mit hinreißender Leichtigkeit und Beiläufigkeit, um im nächsten Moment seine ganze Energie in hohe Sprünge und weit ausholende Gesten zu bündeln.Fledermaus DAto

Olga Esina ist auch hier eine einzigartige Erscheinung – sei es als sittliche Hausfrau im anständigen, langen Kleid oder als Vamp (des 19. Jahrhunderts) im beinfreien Trikot. Die wunderbare Ballerina ist die perfekte Besetzung für diese Rolle, die solch unterschiedliche Facetten bietet, welche in den Kostümen von Luisa Spinatelli nachdrücklich umgesetzt werden.

Fledermaus EsinaAfshaarEindrucksvoll auch Gaspare Li Mandri, Kristián Pokorny und Géraud Wielick als wendige Kellner, Céline Janou Weder als einfältiges Dienstmädchen und – in einem Mini-Auftritt – Eno Peci als Polizeikommissar, der Johann ins Gefängnis bringt.

Sie alle in einem heiteren Ballett zu erleben – einer Kunstform, in der es meistens sehr ernsthaft zugeht –, eröffnet auch dem Publikum einen neuen Blick auf ihr Können als Komödiant*innen. Apropos ernst: Auch in diesem Ballett konnte sich der Choreograf einen „seriösen“ Folklore-Einschub nicht verkneifen. Im zweiten Akt bricht ein Csárdás die dramaturgische Stringenz, und man fragt sich, was dieser hier zu suchen hat.Fledermaus Kellner

Das Wiener Staatsopernorchester unter der Leitung von Luciano di Martino schwelgte im Strauß-Melodienreigen und unterstützte kongenial die Hommage des Wiener Staatsballetts an den Jubilar Johann Strauß. Freilich sollte das bezaubernde Ballett auch über das Gedenkjahr zu dessen 200. Geburtstag im Repertoire bleiben dürfen. Jubel im Publikum wie schon lange nicht mehr!

Wiener Staatsballett: “Die Fledermaus”, Ch: Roland Petit, Wiederaufnahme am 18. November, gesehene Vorstellung am 21. November in der Wiener Staatsoper. Weitere Vorstellungen am 24., 27., 28. November, 8., 13. Dezember 2025