Tanz Nite? Auch Grazer Kulturinteressierte und Tanzliebhaber stellten sich diese Frage, als in der Spielzeit 2009/2010 erstmals eine Veranstaltung unter diesem Namen angekündigt wurde. Tatsache war, dass damit von Beginn an Neugierde geweckt werden konnte; so sehr, dass sich das Publikum drängte (– und dies nicht, weil das Bolschoi-Ballett wieder einmal Gast in Graz war…)! Ein Publikum, das überdies ganz allgemein in seiner Heterogenität auffiel und im besonders durch die Gruppe der vergleichsweise sehr zahlreichen Jugendlichen.
Und so kam es, dass nach den ersten frei zugänglichen und überfüllten Probeläufen Zählkarten eingeführt wurden. Auch um diese war immer wieder durchaus ein „G‘riss“. Und last but not least auch um jene Karten, für die man – seit dieser Saison, ausgenommen Veranstaltungen, die unter „vor der Premiere“ laufen – einen Obolus zu entrichten hat.
Aber was beflügelt(e) das Interesse für Tanz in derart ungewöhnlicher Weise? „Publikumsnähe, unprätentiös praktiziert“ lautet das gefühlte Zauberwort.
In der ersten Vorankündigung 2009 hieß es: „In lockerer Atmosphäre dreht sich alles um das Thema Tanz: Tänzer-Portraits, Tanzperformances, Tanzvideos, Tanzimprovisationen, Tänzer-Talks … mit und ohne Spitzenschuh.“
Als „Tanz zum Angreifen“ könnte diese erfolgreiche Veranstaltungsreihe auch beschrieben werden. Eine, deren Einzelveranstaltungen jeweils unter einem anderen Thema stehen: angekündigt etwa als „Ladies Nite“ beziehungsweise „Boyz Nite“, als im Dezember 2009 und Februar 2010 entsprechende „Bühnenaktionen“ von den Tänzerinnen und Tänzern gesetzt wurden: sehr persönliche, individuelle – und damit lebensnahe. Oder aber „best screen choreographys, dance screens“ wurden vor und zur Diskussion gestellt.
Zur Eröffnung der Saison 2010/2011 wurde auf allen Ebenen des Grazer Opernhauses „Ein Fest für den Tanz“ veranstaltet, in der „Tanz Nite 2“ dann die neue Kompanie vorgestellt – im direkten Gespräch von Ballettchef Darrel Toulon mit den KünstlerInnen und beispielhaft durch charakteristische live Tanz-Szenen. Im Februar diese Jahres wurde in einer „choreographischen Zwischenschau“ von Toulon über seine „Messiah“-Interpretation reflektiert: anhand praktischer Beispiele selbstverständlich sowie an solchen von Entstehungsgeschichten und ungewöhnlichen Perspektiven, schließlich auch mit Hilfe von letztlich verworfenen Szenen. Nicht selten schien ob solch unmittelbarer Einblicke das Publikum den Atem anzuhalten…
Die vorläufig letzte „Tanz Nite“ dieser Saison, „Vor der Premiere JUMP START“, am 8. Juni war vorerst räumlich eine Premiere, musste der Abend doch wegen größerer Umbauarbeiten – nicht nur dieses Mal - in adaptierten Räumen in der Jakoministraße stattfinden. Abgesehen von der dabei bewiesenen Improvisationsfähigkeit des Teams, führte Toulon in „altbewährten“ Weise vor, was eine Einführung an Qualität haben kann: Da die Inhalte der beiden Choreographien des zweiteiligen Abends im Programm nachgelesen werden können, ging es um Hintergrundinformationen – im Gespräch mit den beiden eingeladenen Choreographen Nikolaus Adler ( „Resurrection oder Die Befremdlichkeit der Zwischenmenschlichkeit“) und Guido Markowitz („Sometimes it is not nice to be me“), mit der Dramaturgin Genia Enzelberger und der Ausstatterin Vibeke Andersen. Es ging um „handfeste“ Basisinformation, wie etwa Formen von Wasser auf die Bühne „gezaubert“ werden können oder aber auch darum, wie und warum der vorgegebenen Input „Jump Start“ zu eben diesen Choreographie-Ideen führte; es ging um Hinweis auf unterschiedliche Dynamik und Emotion, um Hinterfragung von inhaltlich und formal sich deckenden/sich überschneidenden Ebenen – selbstverständlich immer wieder konkretisiert an entsprechenden Szenen-Auschnitten, die, neben überaus bewegungsdichten oder locker-humorvollen auch „ziemlich heavy, very deep“ (O-Ton Toulon) daherkommen – sehr sehenswert allesamt, scheint es.
Premiere von „Jump Start“ am 17. Juni 2011 in der Studiobühne im "Wilden Mann", Folgevorstellungen am 19., 21., 22., 25. und 26. Juni 2011.