Vor zehn Jahren wurde das Tanzquartier Wien eröffnet. Eine zunehmend positive Bilanz und Verdreifachung der Auslastungszahlen zeigt, dass dieser zentrale Ort für den Tanz in Österreich nicht nur europäische Ausstrahlung hat, sondern auch vermehrt vom heimischen Publikum angenommen wird. Die Spielzeit 2011/2012 sieht der künstlerische Leiter des Tanzquartier Wien Walter Heun als „exemplarisch für die Zukunft“.
Einerseits soll diese Zukunft ein Weiterarbeiten mit den langjährigen Wegbegleitern des Tanzquartiers wie Philip Gehmacher oder Christine Gaigg beinhalten. Andererseits will das Tanzquartier weiterhin Motor für den Tanz sein, Nachwuchstalente und „junge Positionen“ beispielsweise über sein Artist in Residence-Programm sein, zum Beispiel ein Forschungsprojekt in der Saison 2012/13. Künstlerisch-wissenschaftliche Teams, die sich mit der Verbindung von Neurowissenschaft und Kinästhetik auseinandersetzen (wollen), können ihre Konzepte bis 15. November 2011 und für die kommende Saison einreichen.
Die Vernetzung mit Veranstaltern wie Wien Modern, dem Fonds für wissenschaftliche Forschung, dem Leopold Museum und dem Schauspielhaus macht Tanz und Performance in anderen (Kunst-)Sparten präsent, an einem Nationalen Performance Netz wird gearbeitet.
Heun nimmt in dieser Spielzeit auch den interkulturellen Dialog, der bisher nur gestreift wurde, stärker ins Visier und das gleich zur Saison-Eröffnung, bei dem im Rahmen eines mehrteiligen Programms der marokkanische Choreograf und Tänzer Taoufiq Izeddiou in Begleitung mit dem Gwana-Musiker Maâlem Adil Amimi die Konflikte thematisiert, die er als zeitgenössischen Tänzers in seinem Land erlebt. Am 1. Oktober ist außerdem Kat Válastur, eine griechische Tänzerin mit Wohnsitz in Deutschland in der Halle G zu erleben sowie zwei internationalen Teams in den TQW Studios, zwischen denen das Publikum zu wählen hat: Giuseppe Chico (Italien) und Barbara Matijevi? (Kroatien) oder Dragana Bulut (Kosovo), Eduard Gabia und Maria Baroncea (Rumänien).
Uraufführungen gibt es im Oktober und November von Alexander Gottfarb und Anne Juren mit Roland Rauschmeier und Johannes Maria Staud. Meg Stuarts Arbeit „Violet“ ist ebenso erstmals in Österreich zu sehen wie das „große“ Gastspiel in der Halle E: „Can We Talk About This?“ der britischen Gruppe DV8 am 21. und 22. Oktober. In diesem Stück rührt Choreograf Lloyd Newson an die Tabus unserer demokratischen Gesellschaft – religiöse, politische, kulturelle und soziale, und stellt Fragen zu Pressefreiheit, Zensur von Kunstwerken und multiethnischer Politik angesichts von Ereignissen wie dem wegen seines Romans „Satanische Verse“ mittels einer Fatwa zum Tode verurteilten Autor Salman Rushdie, dem Mord an Theo van Gogh oder der Polemik über die Mohammed-Karikaturen.
Anstelle der Choreographic Platform Austria, die mangels Budget dieses Jahr nicht durchzuführen ist, präsentiert das Tanzquartier von 17. Bis 19. November ein „Best of“ der heimischen Szene und zeigt Wiederaufnahmen rezenter Produktionen unter anderem von Chris Haring, Christine Gaigg, Dominique Grühbühel & Luke Baio, The Loose Collective und Superamas und veranstaltet ein Symposium „You’ve got my Interest“ zur Ökonomie des Produzierens.
Auf der theoretischen Schiene wird es heiter. Die Redereihe „Die Listen des Lachens“ behandeln die „Interferenz zwischen dem Komischen und dem Performativen“. Der Trainingsbetrieb öffnet sich dem Publikum mit Trainings-Lectures und der renommierte Pädagoge Eric Franklin stellt seine „Franklin-Methode“ in einer Masterclass vor.
Das genaue und umfangreiche Programm ist auf der Homepage des Tanzquartier zu finden.