Die Georgierin Ketevan Papava, tanzt seit 2006 auf der Bühne der Staatsoper, seit 2010 ist sie Solotänzerin. Studiert hat Papava an der Waganowa-Akademie des Russischen Balletts in St. Petersburg, danach war sie Mitglied der Compagnie am Mariinski-Theaters. Im Programm „Meistersignaturen“ hat sie neben dem Pas de deux in „Vier letzte Lieder“ noch zwei Solorollen zu bewältigen.
„Ein Tiger, ein schwarzer Panther!“ Keine Sekunde zögert Ketevan Papava, von Kolleginnen und Freunden, Kety genannt, um auf die Frage, welches Tier sie gern sein würde, zu antworten. Die kohlschwarzen Augen blitzen. Weniger angriffslustig als fröhlich: „Ein Katzentier, aber kein Kuscheltier.“ Papava ist Solotänzerin beim Wiener Staatsballett, eine Künstlerin, die nicht zu übersehen ist, wenn sie die Bühne betritt und die Beleuchtung um einige Lux höher dreht. Mit Schuhgröße 39 auf der Spitze stehend, ist sie einfach überragend.
Eindrucksvoll sind auch die Solorollen, die sie in Wien bereits getanzt hat. Lauter starke Frauen, Tigerinnen eben: Carmen von Davide Bombana (der das nächste Neujahrskonzert choreografieren wird), Lescauts selbstbewusste Geliebte in Kenneth MacMillans „Manon“ oder die böse Fee Carabosse in Peter Wrights „Dornröschen“. Ihre Traumrolle aber muss erst Gestalt bekommen. Die Noten sind noch nicht geschrieben, die Schritte noch nicht ausgedacht: Ketevan Papava möchte Medea, die zauberkundige Königstochter aus Kolchis sein. Sie ist ihr nahe, war sie doch Georgierin (Kolchetis entspricht dem heutigen Georgien) wie Papava, die in Tiflis geboren worden ist: „Bei uns wird die Geschichte aber etwas anderes erzählt als man sie hier gewohnt ist. Nämlich wie in älteren Versionen. Da ist nicht Medea die Mörderin ihrer Kinder sondern Iason, der sie verleumdet.“ Papava greift nach den Sternen, in denen das Ballett über Medea noch wartet: „Das ist doch der wirkliche Traum jeder Tänzerin, dass ein Werk eigens für sie geschrieben wird, auf den Leib choreografiert.“ Sie ist sicher, „dass der richtige Choreograf kommen wird“.
Eine Träumerin ist diese Tänzerin, deren Präsenz und positive Ausstrahlung nicht nur auf der Bühne zu spüren ist, jedoch keineswegs. Die Schule, des Balletts und des Lebens, härtet ab. In einer musischen Familie aufgewachsen –die Mutter ist Pianistin, drei ihrer fünf Schwestern sind Ballerinen, der Vater Architekt –, hat sie schon auf wackeligen Beinen Tanz nicht nur bewundert, sondern auch mit den Ballettschuhen der Tante an den Händen diesen an der Wand tapsend ausprobiert. Als ein Partner gebraucht wurde, zeigte die kleine Ketevan Kreativität und engagierte die Kastentür. „Ich habe immer davon geträumt, zu tanzen – aber ich habe nicht gewusst wie schwer es ist.“ Zudem ist die Ballett-Ikone des 20. Jahrhunderts, George Balanchine, ein Landsmann und auch der Choreograf Wachtang Tschabukiani („Laurencia“) stammt aus Tiflis. Doch im Land am Schwarzen Meer, immer wieder von Unruhen und Kriegen geschüttelt, war (und ist) das Leben nicht einfach und wenig Platz für Kultur. Also holte Tante Irma, Erste Solotänzerin am Mariinski-Theater, das Mädchen nach St. Petersburg. An der berühmten Waganowa-Akademie lernte sie das harte Leben einer Ballettschülerin kennen – fern der Heimat, ganz auf sich selbst gestellt. „Ich habe durchgehalten, obwohl wir nicht mal Zeit zum Atmen hatten. Bei der Ausbildung sowieso und auch danach. Ich wusste jedoch schon damals, dass ich nicht in Russland bleiben werde. Ich wollte hinaus in die Welt.“ 2006 gelang der Sprung: „Ich sandte Videos nach New York und Italien, München und Wien. Gyula Harangozó, damals Ballettchef in Wien, antwortete als erster.“ Lobte sie und beschied, dass er keinen Platz frei habe: „Geben Sie mir doch ihre Telefonnummer.“ Zwei Stunden später, sie spaziert ein wenig betrübt über den Naschmarkt, läutet das Telefon, das Ballettbüro bestellt Papava wieder an den Opernring. „Ich habe nie wirklich erfahren, was die Ursache für diesen Glücksfall war.“ Jetzt studiert sie Österreichische Geschichte für die Erlangung der Staatsbürgerschaft.
Schon längst ist sie Solotänzerin in Manuel Legris’ Compagnie. Die schwierige Junge hat ihr Selbstbewusstsein und Tatkraft verliehen. Ketevan Papava weiß, dass sie nichts mehr so schnell umwerfen kann und hält wenig von vorausschauender Planung. Flexibilität und Intuition liegen ihr näher. Auch der Urlaub mit dem Freund wird spontan entschieden: „Da brauche ich auf jeden Fall das Meer und die Sonne, um meine Knochen und die Haut zu kurieren.“
Drei Solorollen an einem Abend. Noch aber sind die Ferien weit entfernt, näher sind die Proben für die aktuellen Vorstellungen: Einen Pas de deux als „Aschenbrödel“ für die Nurejew Gala, und gleich drei anstrengende Rollen für die bevorstehende Wiederaufnahme der aufgefrischten und neu gemischten „Meistersignaturen“. Der Solopart in Jirí Bubeniceks aparter Choreografie „Le Souffle de l’esprit“ muss rekapituliert werden, der Pas de trois aus „Vaslaw“ mit dem Protagonisten Denys Cherevychko wird mit Partner Robert Gabdullin neu einstudiert. Bei der vorjährigen Gala wurde das Frühwerk zu Ehren Nijinkys zum ersten Mal gezeigt, nun wird es ins Repertoire aufgenommen. Gleichzeitig muss der Pas de deux aus Rudi van Dantzigs wunderbar schwebende Choreografie der „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss geprobt werden. Seit 1979 ist das Stück im Repertoire der heimischen Compagnie, doch war es, abgesehen von der Nurejew-Gala 2012, seit 1993 nicht mehr zu sehen. Fast die Hälfte der neun Solisten hat die Choreografie noch nie getanzt. Ketevan Papava auch nur einmal, mit einem anderen Partner. Ebenso wenig wie Ballettchef Manuel Legris, der gerne jede Probe beobachtet oder leitet, kann sich die Solotänzerin zweiteilen. Also fehlt Legris bei einer der simultanen Proben und die Kety hetzt von Ballettsaal zu Ballettsaal, hat 40 Minuten Pause für Dusche und Kaffee und ist dennoch abends bestens gelaunt und auskunftsfreudig. An den „Vier letzten Liedern“ hat sie besondere Freude, macht sie doch die Musik zum „Engel, so schwebend.“ Das zugrunde liegende Eichendorff-Gedicht gibt ihr Recht: Und die Seele, unbewacht, will in freien Flügeln schweben. „Die Technik“, sagt Ketevan Papava, „ist der Untertan der Gefühle“ und greift sich enthusiastisch an den Kopf: „Aber das Wichtigste ist da. Das ist alles.“
„Meistersignaturen“. mit Choreografien von Jirí Bubenicek, John Neumeier, George Balanchine und „Vier letzte Lieder“ von Rudi van Dantzig, 27.Mai 6., 12., 16.Juni. Staatsoper.
Nurejew-Gala in der Staatsoper am 28.Juni.
Eine gekürzte Fassung des Interviews ist am 23. Mai im Schaufenster der Tageszeitung „Die Presse“ erschienen.