Als eine der ständigen ChoreografInnen im Team von Tanz die Toleranz (TdT) setzt Romy Kolb mit ihren stimmungsvollen Stücken immer wieder Highlights bei den Semester-Showings. Wie die meisten ihrer KollegInnen, die vorwiegend in partizipativen Kontext arbeiten, ist auch Romy Kolb „irgendwie im Community Dance gelandet – ich wusste gar nicht, was das ist“, und hat darin ihre Berufung gefunden. Das neue Semester beginnt nächste Woche, Romy Kolb leitet diesmal die Adult Dance-Gruppe.
Die Bewegungskarriere von Romy Kolb hat mit Eiskunstlauf in Tirol begonnen und setzte sich in einer dreijährigen Tanzausbildung bei der ugandisch-österreichischen Tänzerin Chandiru Mawa (1970-2016) in Wien fort. „Sie hat mir so viel Mut gegeben, hat mich so früh schon gepusht und das war sehr entscheidend fürs Tanzen“, erinnert sie sich. „Dann habe ich mich nach New York getraut und mich dort sehr in die House Kultur verliebt.“ Das war so nicht geplant, denn nach New York ging sie ja eigentlich, um Limón intensiver zu trainieren. „Aber das habe ich dann einfach geändert“, erzählt Romy fröhlich. „So war ich halt mehr in der Nacht unterwegs als tagsüber.“
Vielleicht wäre sie ja noch heute Nachtschwärmerin in den New Yorker Clubs, hätte sie nicht zufällig einen Workshop mit Tamara McLorg besucht. Die Pionierin des Community Dance aus Großbritannien hat vor zehn Jahren Tanz die Toleranz mitaufgebaut und ist dem Programm bis heute als Coach und Trainerin verbunden.
„Das war der Grund, warum ich in Wien geblieben bin. Weil mir die Idee von Tanz die Toleranz gefallen hat, weil die Richtung etwas Neues in mir entfacht hat.“ Ihren choreografischen Weg begann sie als Assistentin bei der Jugendgruppe von Katrin Blantar, deren Leitung sie dann übernommen hat. „Wir haben in der Tanzausbildung nie Choreografie gelernt, das war alles learning by doing und viel Mentoring von Tammy (Tamara McLorg, Anm.), die laufend Fortbildungsseminare in Wien gehalten hat. Ich habe ihr in Südafrika einen Monat lang assistiert und dort habe ich viel gelernt.“
Heute ist für Romy Kolb der Community Dance „genauso relevant wie jedes andere Theater oder Tanzangebot. Es ist für mich deswegen wichtig, weil es nicht definiert, was auf die Bühne gehört, was choreografisch ‚richtig’ ist. Es definiert Neues, zum Beispiel die Körper, die auf die Bühne kommen. Oder dass Menschen mit unterschiedlichen Backgrounds gemeinsam einen choreografischen Prozess durchlaufen. Das ist sehr powerful, aussagekräftig, sowohl als Prozess, den man auf die Bühne bringt als auch als Prozess, den man mit den Menschen in der Erschaffung durchmacht.“
Produkt vs. Prozess: Transformation vor Zeugen
Die Diskussion ob der Prozess der Tanzerfahrung in eine Bühnenpräsentation führen soll oder ob die Studioarbeit allein relevant ist, findet Romy ziemlich überflüssig. „Die Kunst ist, beides miteinander zu verbinden, ich sehe keinen Widerspruch darin. Ich habe auch nur reine Prozessprojekte gemacht, wo das Produkt gefehlt hat, in manchen Gruppen ist das sehr wertvoll. Beim Training haben wir den Raum für uns, und in diesem Raum findet Transformation statt. Mit jedem Training verändert sich etwas, in einem selbst und in der Gruppe. In der Abschlussaufführung wird die Transformation öffentlich gemacht, sie bekommt Zeugen. Dadurch bekommt der Prozess noch einmal eine ganz andere Dimension. Wenn man die TeilnehmerInnen selbst fragt: sie genießen es auch sehr. Ich habe bis jetzt einen einzigen von vielen hunderten Jugendlichen gehabt, der gesagt hat, er will das nicht vortanzen. Ich glaube sehr stark an die Symbiose von beidem.“
Und sie erzählt etwa von ihrer Erfahrung in Südafrika mit Kindern, die in dem Tanzprojekt überhaupt das erste Mal in ihrem Leben ein Ziel verfolgt haben, nämlich eine Aufführung zu realisieren und wie wichtig diese Erfahrung für sie war. „Es ist nämlich nicht selbstverständlich ein Ziel zu erreichen.“
Ihr persönliches Ziel sei es „natürlich einen guten Prozess zu machen. Und was das Produkt am Ende angeht, entscheide ich nicht unbedingt immer im allerbesten Sinne für die Choreografie, weil ich auch beim Produkt den Prozess abwägen muss.“ Choreografie im Community Bereich bedeutet nämlich auch eine besondere Beziehung zur Gruppe herzustellen und das Empowerment, das die TeilnehmerInnen erfahren zu berücksichtigen.
Die Choreografie als gemeinsamer Nenner von Diversität
Der choreografische Prozess unterscheidet sich hingegen nicht von der Arbeit im zeitgenössischen professionellen Bühnentanz: Man beginnt mit Improvisationsübungen, um zu sehen, wohin die Gruppe tendiert, was funktioniert und was nicht. „Viel kommt von den Leuten selbst. Die verschiedenen Körper in ihrer Vielfältigkeit inspirieren mich sehr, weil die Bewegungen so divers sind. Und dann liegt die Herausforderung darin einen gemeinsamen Nenner zu finden.“
Auch über die Frage, inwieweit der Choreograf überhaupt intervenieren soll, wird heute heftig debattiert. Ist es nicht manipulativ, wenn ein Künstler sein persönliches Konzept durchsetzt und die TeilnehmerInnen zu InterpretInnen einer externen künstlerischen Idee werden?
Romy Kolb hält dieser Argumentation entgegen, dass es sich um eine gemeinsame Kreation handelt. „Und ich bin ja auch Teil des Schaffensprozesses. Es findet so viel Austausch und Kommunikation statt und ich bin auch Teil dieser Kommunikation. Aber ich finde auch, dass jemand Entscheidungen treffen muss, choreografische Entscheidungen. Funktioniert etwas für dieses Stück, passt das hinein, wohin will ich gehen? Und so baut sich das halt langsam zusammen. Wenn ich mit 70 Leuten anfange Entscheidungen zu diskutieren, haben wir sicher in zehn Proben kein Stück.“
„Die Methode Flexibilität“
Nach ihrer Methode befragt, antwortet Romy spontan: „Die Methode Flexibilität. Ich habe einen sich ständig erweiternden Werkzeugkasten mit Tools, die ich ausprobiere. Ich bereite jedes Training vor und mache dann nie, was ich vorbereitet habe“, lacht sie. „Man braucht die Flexibilität und das Feingefühl um zu spüren, was die Gruppe braucht und das ist dann gekoppelt mit einer choreografischen Vision, was herauskommen soll.
Was mir sehr wichtig ist, ist die Qualität der Bewegung im Sinne einer inneren Motivation, die die Tänzer selbst finden. Ich verwende sehr viel Zeit des Trainings für die Bewegungsqualität und auch darüber zu sprechen, was ihre Bilder sein könnten. Ich gebe keine Bilder, weil nicht jedes Bild, das für mich funktioniert für andere tauglich ist. Zum Beispiel, wenn man das Bild des Hundes nimmt: Manche lieben Hunde, manche haben Angst vor Hunden. Daher gebe ich eher Impulse über die Bewegung oder das Thema, das wir behandeln, damit sie ihre eigenen Bilder aus ihrer individuellen Perspektive heraus finden können.“
Nach ihrer bevorzugten Tänzergruppe befragt, bekomme ich keine eindeutige Antwort: „Ich glaube, am Leichtesten fällt mir die Arbeit mit den Jugendlichen, aber jede Gruppe hat ihren Reiz. Am Schwersten fällt es mir mit Kindern. Ich mag aber sehr gerne diese Abwechslung, einmal ins Seniorenheim zu gehen, das andere Mal mit jungen Leuten, mit der Erwachsenengruppe zu arbeiten. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen, die mich davor urnervös machen, und das finde ich so schön und spannend an der Arbeit.“
Zum Beispiel ist gerade ein neues „großartiges“ Projekt mit dem Verein „Hunde und Wir“ in der Ankerbrotfabrik mit Hundebesitzerinnen und ihren Tieren in Planung. Dafür wird die Choreografin mit einer Hundetrainerin zusammen arbeiten. Die Kombination Hunde und Tanzen liege doch auf der Hand, meint die künstlerische Leiterin von TdT, Monica Delgadillo, selbst stolze Hundebesitzerin. Denn auch über Hunde kommen die Menschen viel leichter ins Gespräch. Das Projekt beginnt am 12. Februar und endet am 18. April. Das Format der Abschlusspräsentation ist noch offen: Es könnte eine site specific Performance oder aber auch ein Videoprojekt werden. „Ich glaube, das ist sehr von den Hunden abhängig und von ihren Herrln und Frauerln.“
Außerdem ist Romy Kolb auch in dieser Saison wieder im Team der „Offenen Burg“, dem Community-Theaterprogramm des Wiener Burgtheaters. Und sie ist Gründungsmitglied von „Supersoulme“, einem Verein, der Kindern in sozialen Brennpunkten ganzjährig die Möglichkeit bietet kostenlos zu tanzen, wobei der Schwerpunkt auf Urban Dance-Formen liegt. Eines der Brennpunkt-Projekte fand zum Beispiel im sonderpädagogischen Zentrum statt und zeigte großartige Ergebnisse: „Bis auf ein Kind sind danach alle wieder in die Regelschule zurückgekommen. Was sich in diesem Monat getan hat, war unglaublich. Die Art der Berührung, der Umgang miteinander hat sich grundlegend geändert. Für mich ist es ein Rätsel, warum man solche Projekte nicht standardmäßig macht, das war extrem effizient.“
Ist tanzen gut für alle?
„Ja, absolut“, antwortet die 34-jährige studierte Religionswissenschaftlerin überzeugt. „Selbst die, die am Anfang gesagt haben, sie mögen das gar nicht, waren dann die, die am euphorischsten waren. Oder Leute, die sagen, sie können gar nicht tanzen, oder am Anfang am sehr kritisch sind, sind oft die eifrigsten, sobald sie einmal den ungezwungenen Rahmen und eine andere Art des Tanzens erlebt haben.“
Die Semesterkurse von Tanz die Toleranz starten ab 13. Februar. Romy Kolb leitet die „Adult Dance“ Gruppe. Kick Off ist am 14. Februar um 19 Uhr in der Brunnenpassage