Nicht nur in Wien, auch in Peking, schwärmt das Publikum von Maria Yakovleva. Ob als Julia in John Crankos Ballett „Romeo und Julia“, oder als Bella in Roland Petits „Fledermaus“ und auch als Walzertänzerin im Neujahrskonzert, immer zeigt sie technische Perfektion und eine breite Gefühlspalette.
Die Ballerina ist fröhlich. Fast immer. Eine erfolgreiche Probe kann sie ebenso glücklich machen, wie eine erfolgreiche Vorstellung. Ob in der Volksoper oder im Stammhaus, der Wiener Staatsoper, Maria Yakovleva liebt alle ihre Rollen und natürlich auch den Jubel des Publikums. Zum Beispiel bei „Tanzhommage an Queen", einem Dauerbrenner der Ära Harangozó in der Volksoper. „Da hat das Haus gezittert“, erinnert sie sich. Ein wenig wehmütig? „Nein, gar nicht. Es gibt so viele schöne Rollen. Auch wenn ich nicht alle tanze. Die Odette in Schwanensee zum Beispiel, die ist nichts für mich, da braucht man lange Arme.“ Endlich aber darf sie die Bella in Roland Petits Ballett „Fledermaus“ tanzen. Die Enttäuschung, als sie vor zwei Jahren die Premiere doch nicht tanzen durfte – „Ich war schon besetzt“ –, ist längst verschmerzt. Auch damals schon, vor zwei Jahren, waren die Tränen schnell getrocknet: „Ich war dann gar nicht da,“ erzählt sie lachend. Eine Einladung des Israel Ballet nach Tel Aviv und Peking brachte „neue Eindrücke, ein anderes Publikum und fremdes Essen. Ganz anders als hier beim Chinesen, nicht so gut.“ Also jetzt doch Bella und auch in den Solopartien des Neujahrskonzerts 2011 ist sie gemeinsam mit Eno Peci zu sehen.
Maria Yakovlevas Karriere verlief steil und ohne Kurven. Geboren in St. Petersburg, Waganowa-Ballettakademie – jeden Tag bis 7 Uhr abends, danach noch privater Musikunterricht –, Engagement ans Mariinski Theater und schon nach einer Saison als Solistin nach Wien geholt. Da war sie gerade 18 Jahre alt. Inzwischen sind St. Petersburg und Wien nicht die einzigen Bühnen, die ihre Welt sind. Als Gaststar ist sie in Taiwan so gerne gesehen wie in Deutschland, in Griechenland so bejubelt wie in Italien oder China. Und in Russland so wie so.
Mit zehn Jahren hat sie das Tanzfieber gepackt. „Im Mariinski-Theater habe ich mit meiner Mutter den ,Nussknacker’ gesehen. Ich war so aufgeregt, dass ich nicht sitzen konnte, die ganze Vorstellung bin ich gestanden. Nachher habe ich gesagt: Das will ich auch, Prinzessin auf der Bühne sein und tanzen.“ Jetzt lacht die Ballerina herzlich: „Ein richtiger Kleinmädchentraum.“ In Gyula Harangozós Choreografie von Peter Tschaikowskis „Nussknacker“ wurde der Traum wahr: Maria Yakovleva war Prinzessin Maria. Doch auch andere Rollen sind für sie erfüllte Träume. Zum Beispiel wenn sie mit Robert Tewsley als Romeo die Julia tanzen darf. Der Weltstar aus England hat in John Crankos Choreografie als Wiener Romeo debütiert. Maria Yakovleva ist der Partner lang vertraut, nicht nur an der Staatsoper, auch bei Gastspielen in aller Welt bilden die beiden ein schönes Paar. Allein der Name des Danseur noble lässt die dunkelblauen Augen der Ballerina leuchten: „Ich tanze so gern mit Robert. Er ist ein großartiger Tänzer und ein wirklicher Star, ohne Allüren, bescheiden und liebenswürdig.“ Da fällt es Maria Yakovleva nicht schwer, Liebe zu tanzen. „Gefühle tanzen, ist nicht einfach. Da muss ich viel denken. Wie muss ich mich bewegen, dass die Leute im Saal etwas spüren? Das ist nicht nur harte Körperarbeit und ein Lehrer kann es mir nicht wirklich sagen, das muss aus mir kommen.“ Technisch anspruchsvolle Bravourstücke sieht sie als nicht so große Herausforderung. „Aber einen Charakter zu entwickeln … Doch das bringt auch mehr Befriedigung als reine Technik. Das Publikum spürt das auch. Der Applaus ist viel herzlicher.“
Für ihre Rollen hat Maria Yakovleva einen Trainingspartner, mit dem sie die Liebe live erlebt. Ihr Freund Kirill Kourlaev versteht nicht nur ihre Gefühle sondern auch etwas vom Fach. Konsequent ist der Moskauer vom Ensemblemitglied zum Halbsolisten und endlich zum Solotänzer gesprungen. Mit ihm, sagt sie leicht errötend, hat sie auch Deutsch gelernt. Anders als manche Kolleginnen, spricht sie flüssig, lebhaft und nahezu perfekt, wobei die kleinen Schnitzer und der sanfte Akzent, ihren Sätzen besonderen Reiz verleihen. Hauptthema ist auch zu Hause das Tanzen: „Wenn ich eine Idee habe, bespreche ich sie zuerst mit Kirill, oder wir probieren eine Bewegung aus, erst dann gehe ich damit in den Ballettsaal.“ Zur Zeit sorgt wieder einmal die Liebe, nämlich die der schönen Wirtstochter Kitri zum Barbier Basil, für Gesprächsstoff. Ballettdirektor Manuel Legris hat Rudolph Nurejews (nach Marius Petipa / Musik Ludwig Minkus) für Wien geschaffene Choreografie aus dem Tiefschlaf geholt und das Liebespaar mit Yakovleva und Denys Cherevychko bestens besetzt. Neun mal (nicht immer in dieser Besetzung) steht „Don Quixote“ ab dem 28. Februar 2001 auf dem Programm der Staatsoper.
Längst sind die Ängste und Zweifel verflogen, die die Solotänzerin vor dem Amtsantritt des neuen Ballettdirektors Manuel Legiris, geplagt haben. Zwar kennt das Wiener Publikum den ehemaligen Danseur Etoile der Pariser Oper als Gaststar, die Tänzerinnen hatten zu Beginn der vergangenen Saison (2009/2010) aber noch kaum persönlichen Kontakt mit dem gebürtigen Pariser gehabt. „Er kann ja alle kündigen. Ja, das kann er,“ überlegte sie damals. Aber auch Hoffnungen gab es: „Andererseits ist er ein Weltstar mit einem breiten Repertoire. Wir denken, dass er nicht nur klassische Stücke bringen wird, sondern auch etwas Modernes, zum Beispiel Forsythe oder Neumeier.“ Die Ängste sind verflogen, die Hoffnungen haben sich erfüllt. Kaum hatte der neue Ballettchef sein Büro bezogen, hat er im Einvernehmen mit Operndirektor Dominique Mayer den unsinnigerweise abgeschafften Titel der „Ersten Solotänzerin“ (und des 1. Solotänzers) wieder eingeführt und ihn der zierlichen Mascha verliehen. Auch Olga Esina darf den Ehrentitel tragen. Roman Lazik und Vladimir Shishov sind unter den männlichen Solisten die „Ersten“.
Die Ballerina ist noch jung, noch keine 24 Jahre. Da wird das Leben leicht genommen und das Tanzen so wie so – „federleicht“ bescheinigt ihr die Kritik. Auch wenn es bereits da und dort sticht und brennt. „Wenn dir nichts weh tut, hast du zu wenig trainiert oder du bist tot.“ Die Ballerina lacht. Sie lebt mit den Schmerzen und arrangiert sich mit den Entbehrungen: „Ich kann nicht ohne Schokolade leben. Dann esse ich halt Schokolade und sonst nichts.“ Die Ballerina schwingt sich aufs Rad und fährt nach Hause. Vor der Abendvorstellung wird noch chinesisch gegessen und kurz geschlafen.