Tanzen als Lebenselixier
Tanzen ist ihm das Wichtigste im Leben. Er möchte am liebsten möglichst viele verschiedene Rollen tanzen. - alle Solopartien wären der große Wunschtraum: Dennoch gibt es für ihn keine Wertung nach „bedeutend“ oder „weniger bedeutend“. „Alle Rollen sind gut. Wer sagt, dass eine Rolle schlecht ist, der ist ein schlechter Tänzer, weil er sich dann nicht genügend mit diesem Part auseinandersetzt, um das bestmögliche herauszuholen.“ Daher hat er eigentlich auch keine Lieblingspartie. Er steht auf dem Standpunkt, dass man jedes Mal, egal für welche Rolle, immer alles geben muss. Dieser mehr als 100%ige körperliche und mentale Einsatz lässt ihn in seinem jugendlichen Tatendrang stets sehr emsig sein: es gibt für ihn kein Ende, denn als Tänzer hört für ihn das Arbeiten an einer Rolle nie auf. „Ich muss noch viel lernen und Erfahrungen sammeln“, ist er überzeugt, dass gute Technik wesentlich ist, aber in einer Rolle darstellerisch zu überzeugen ist ihm persönlich noch wichtiger. „Ich will nicht spielen, sondern eine Person verkörpern. Das Publikum soll mir vertrauen, dass ich tatsächlich die Figur bin, die sie auf der Bühne sehen“, hat er sich vorgenommen. Technische Finessen wie raumgreifende Sprünge und zahllose Drehungen sind seine Spezialität - aber gleichzeitig will er mit jeder Faser seines Körpers auch darstellerisch reüssieren.
Tanzen als Rollen-Puzzle
Sehr gefreut hat er sich über die Möglichkeit, dass er im vergangenen Herbst bei der Wiener „Schwanensee-Gala der legendären Nurejew-Fassung im 1.Akt als Prinz Siegfried auftreten durfte. „Romeo und Julia“ zählt dennoch zu seinen persönlichen Favoriten. Hat er in Wien schon oft den Mercutio getanzt, durfte er bereits auf Galaabenden den Romeo zeigen - gemeinsam mit Karina Sarkissova als Partnerin war er verschiedentlich in der Balkonszene in der Version von Lawrowski aufgetreten. Im März tanzt er mit Maria Yakovleva in Augsburg bei einem Galaauftritt einen Pas de deux aus „Don Quixote“. Besonders schön fand er es, den sensiblen schwärmerischen Lenski zu geben. Ein besonderes Bravour-Stück ist der „Gopak“ aus „Taras Bulba“, das er immer schon tanzen wollte. Obwohl diese Solo-Variation, die temporeich mit schwierigen Sprüngen nur so gespickt ist, eigentlich aus seiner Heimat Ukraine kommt, hat er es erst hier in Wien einstudiert und getanzt. Für den Garcia in „Carmen“ musste er seine „dunkle“ Seite hervorholen - hier war Aggressivität, Gewalttätigkeit und Machismo gefragt. Die modernere Bewegungssprache von Davide Bombana erforderte ungewohnte Stilformen in den Schrittkombinationen und Abläufen. Diese Version zu tanzen war sehr spannend für ihn, weil er Herausforderungen liebt und ihm Vielseitigkeit als Tänzer unabdingbar ist. Meist wird er aber eher mit den charakterlich witzigen Partien in Verbindung gebracht, wie dem schlimmen Lausbuben Moritz aus „Max und Moritz“ oder dem charmant-ulkigen Ulrich aus der „Fledermaus“. Der Puck als Schabernack treibender Kobold im „Sommernachtstraum“ wird wieder anders zu gestalten sein. In der Erarbeitung einer neuen Partie ist er sehr bemüht, sich möglichst vielfältig zu informieren - er liest, schaut Videos, denkt viel über die zu interpretierende Figur nach. „Ich muss verstehen, was ich machen soll“, erschließt er sich eine neue Partie mit allen Sinnen. Die kreative Arbeit mit dem Choreografen Jorma Elo schätzt er sehr, hat er den finnischen Ballettschaffenden doch bereits für die Einstudierung von „Glow-Stop“ kennen gelernt. Der laufende Entstehungsprozess ist sehr spannend, wird doch das Stück gemeinsam mit den Tänzern erarbeitet: der Choreograf ist in seiner ruhigen überlegten Vorgangsweise sehr bemüht, den „richtigen“ Weg für die Tänzer zu finden.
Tanzen als persönlicher Erfolg
Erst 22 Jahre jung, er hat schon zahlreiche äußerst beachtliche Erfolge bei Ballettwettbewerben aufzuweisen, wie die zweiten Preise beim Wettbewerb für junge Tänzer (Kiew, 2004) und beim International Ballet Competition/Junioren (Jackson, 2006), sowie die ersten Plätze beim Tanzolymp (Berlin, 2005) und dem Internationaler Contest für Ballett und Zeitgenössischen Tanz (Wien, 2007). Zuletzt erhielt er den Förderpreis des Ballettclubs der Wiener Staatsoper und Volksoper (2007). Die dazugehörige Vorbereitungsarbeit hat sein Lehrer Alexander Prokofjew geleistet. „Er war ein Genie und Profi - ich verdanke ihm alles. Er hat mir viel fürs Leben mitgegeben. Seine Frau war sozusagen wie meine zweite Mutter, sie hat sich um mich gekümmert. Ich war sein letzter Schüler. Leider ist er vor 2 Jahren gestorben“, denkt Denys Cherevychko noch immer viel an den bedeutenden Ballettpädagogen, der ihn in München an der Heinz-Bosl-Stiftung unterrichtet hat. Warum nimmt man an Ballettwettbewerben teil? „Das macht man für sich, um sich im Wettstreit mit anderen zu messen. Hier steht die Technik im Mittelpunkt“, erläutert der junge Mann seine Motivation. „Aber in einer Vorstellung schaut das Publikum in erster Linie auf die Rollengestaltung, hier zu bestehen ist eigentlich viel schwieriger, weil man erst mit zunehmender Anzahl von Auftritten Sicherheit und Selbstvertrauen gewinnt.“
Tanzend von der alten in die neue Heimat
Der Wechsel nach Bayern ergab sich in Kiew beim Wettbewerb. Obwohl Denys erst knapp 16 Jahre alt war, hatte er seine Ballettausbildung schon abgeschlossen und tanzte bereits in seiner Heimatstadt Donezk in der dortigen Compagnie. Er wollte jedoch sein Können in Bayern in der renommierten Ballettakademie vervollkommnen. Die Familie zu verlassen war ein schwerer Schritt und im ersten Jahr plagte ihn heftiges Heimweh. Doch da er immer die Tänzerkarriere als Ziel vor Augen hatte, hielt er tapfer durch. Er ließ sich auch nicht beirren, als Gyula Harangozó seine Klasse in München besuchte, aber niemanden engagierte. Denys fuhr trotzdem zur Audition nach Wien - und überzeugte alle: seit 2006 hat er seinen Vertrag. Er ist begeistert von seiner Wahlheimat und freut sich ganz besonders, dass er hier sein erstes „richtiges“ Engagement hat. Sein Lebensmotto lehnt sich an „Carpe diem“ - „nütze den Tag“ an: Er möchte stets alles so tun, als ob es der letzte Tag in seinem Leben wäre. „Dann kann ich sagen, dass ich immer alles gegeben habe.“ Von seinem vollen Einsatz kann man sich demnächst wieder auf der Bühne überzeugen.
Denys Cherevychko: Jede Rolle ist gut
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Denys Cherevychko, seit dieser Saison Solist an der Wiener Staatsoper, tanzt demnächst den Puck in Jorma Elos "Sommernachtstraum". Der gebürtige Ukrainer wollte immer schon Tänzer werden, aber: „Eigentlich denkst du als kleines Kind nicht nach, du lernst einfach nur alles“, erklärt er.
Daher war die Entscheidung für diesen Beruf für ihn von Anfang an klar. Früher machte er gern Sport, aber tanzen ist etwas Anderes; das wollte er immer schon unbedingt machen. „Ich kann nicht anders, ich will und muss tanzen - ich liebe meinen Beruf“, erläutert er seine Berufung. Der Fünfjährige wurde von seiner Mutter in eine Volkstanzschule geschickt, in die auch seine 6 Jahre ältere Schwester ging. Die dortige Lehrerin erkannte sein Potenzial und meinte, man möge ihn doch in die Ballettschule schicken. Also ging er zur Aufnahmsprüfung. Als er erfuhr, dass man Kinder erst ab 7-8 Jahren aufnehmen würde und er mit knapp 6 viel zu jung war, weinte er so laut und heftig, weil er unbedingt hinein wollte, dass man ihn schließlich doch aufnahm. In seiner Familie ist er der einzige Künstler. Seine Mutter arbeitet als Ingenieurin in der Spielzeugherstellung, sein Vater war im Bergbau beschäftigt.