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GasaValga iconDas gab es am Deutschen Theater lange nicht mehr: die enge Verbindung zu einem populären, stilübergreifend versierten Choreografen und seiner Tanzkompanie. Thomas Linsmayer, seit Februar 2022 Leiter des großen Gastspielhauses holte Enrique Gasa Valga nach München: ein vielversprechender Schritt, da der umtriebige Katalane insbesondere für inhaltlich zugkräftige wie musikalisch mitreißende Abendfüller bekannt ist. Seine nächste Premiere "Der Fall Wagner" findet am 18. April im Festspielhaus Erl statt.

14 Jahre war der in Barcelona geborene Tänzer Ballettchef am Tiroler Landestheater. Bis zu seinem Ausscheiden jagte ein Publikumserfolg den anderen. Zuvor bereiste Gasa Valga als gefragter Gastsolist die Welt. Nach seiner Ballettausbildung an der spanischen Ballettschule von Maria de Avila in Zaragoza führte ihn ein Stipendium an die Escuela Nacional Cubana de Ballet nach Havanna. Dort tanzte er unter Leitung der legendären Primaballerina Alicia Alonso beim Kubanischen Nationalballett. 1998 wurde er ans Scottish Ballet engagiert und machte drei Jahre später Station in den Kompanien des Nationaltheaters Mannheim und des Staatstheaters Karlsruhe. 2003 wechselte er ins Ensemble des TLT. Den Karrieresprung zum Ballettchef dort verdankt er der langjährigen Intendantin Brigitte Fassbaender. Nun gründete er sein Ensemble „Limonada Dance Company“

Herr Gasa Valga, Sie sind mittlerweile Leiter eines eigenen Ensembles. Wie fühlt sich das an?

Genau wie dieser Song „Limonada“ … 

Haben Sie Ihre Kompanie deshalb „Limonada Dance Company“ genannt?

Als mein Geschäftspartner Christian Streinmayr mich fragte, wie wir uns nennen wollen, hörten wir zufällig dieses Salsa-Lied „El Gran Varon“ von Willie Colón und blieben intuitiv bei der Textzeile „Si del Cielo de caen Limones, aprende hacer limonada“ („Wenn es Zitronen vom Himmel regnet, lerne Limonade zu machen“) hängen. Der Name passt zum Gefühl, dass wir jeder Lebenssituation mit Tanz begegnen und ihr mit Liebe und Fantasie etwas Positives abgewinnen können.

Sie waren sehr erfolgreich als Ballettdirektor am TLT. Was geschah im Sommer 2023?

Die neue Intendanz hat sich entschieden, in eine andere künstlerische Richtung zu gehen – mit zwei anderen Ballettdirektoren.

Ihr Ausscheiden aus dem Mehrspartenhaus verursachte große Aufregung. 

Mit einer Ablösung hatte ich nicht gerechnet. In Innsbruck und Tirol bin ich sehr beliebt und wollte bleiben. Alle meine Freunde sind hier, und wir hatten während meiner Zeit am Landestheater bereits viele Anfragen für Gastspielreisen. In Seoul gastierten wir mit „Madame Butterfly“, zeigten in Spanien mein Tanzstück „Lorca“, traten in der Schweiz und an verschiedenen anderen Orten auf. So kamen oft 100 Vorstellungen im Jahr zusammen. Es wäre einfach schade, ganz wegzugehen. Ich schätze die Mentalität der Tiroler und bin überzeugt, dass Innsbruck in Sachen Kultur eine Weltstadt sein könnte. Die Unterstützung war großartig, und ich dachte: Warum nicht versuchen, eine eigene Kompanie auf die Beine zu stellen?

Im Congress Innsbruck – gegenüber Ihrer früheren Wirkungsstätte – gingen im Februar sieben ausverkaufte Vorstellungen ihrer neuen Tanzshow „Lágrimas Negras“ über die Bühne. Im Anschluss brachten Sie „Der große Gatsby“ nach F. Scott Fitzgeralds Meisterwerk über Dekadenz und Ausschweifungen nach München. Ihre in Österreich mehrfach ausgezeichnete Hommage an „Frida Kahlo – Pasion por la Vida!“ wird im Juni folgen. Wie geht das, wenn man plötzlich nicht mehr fest an einem Haus engagiert ist? 

Wir starten mit einer flexiblen Kompanie durch, mit der es viel einfacher ist, auf Tournee zu gehen. Und dann hat sich diese Beziehung zum Deutschen Theater ergeben. Das ist fantastisch, denn in Aussicht steht eine langfristige Kooperation und gemeinsame Zusammenarbeit. Da sind wir natürlich sehr gerne dabei. Unser Standort bleibt in Innsbruck, aber wir kommen nach München, gastieren in Monaco und bringen jetzt im April im Festspielhaus Erl als Neuproduktion „Der Fall Wagner“ heraus.

Wie kam der Kontakt zum Deutschen Theater zustande?

Theaterleiter Thomas Linsmayer kam zu uns. Er war in meinen Ballett-Produktionen im TLT und in Kufstein, wo ich Regie geführt und Musicals inszeniert habe. Wir haben viel miteinander gesprochen – so haben wir uns kennengelernt. Er möchte ein Repertoire aufbauen, das auch mit Tanz zu tun hat. Es ist eine Ehre für uns, Teil dieses tollen Theaters zu sein.

Wie groß war Ihre Kompanie am TLT und wie viele Tänzer haben Sie nun unter Vertrag?

Am Theater hatten wir 19 bzw. 20 Ensemblemitglieder. Nun sind 12 bzw. 13 Tänzerinnen und Tänzer fest bei mir engagiert. Sie werden von je einem Sponsor mitfinanziert. Dazu kommen noch vier Gäste. Die meisten kenne ich vom TLT. Alle haben bei mir nach einem Job gefragt.

„Der große Gatsby“ war 2022 Ihre letzte für das TLT kreierte Produktion. Wie haben Sie die Adaption für Ihre freie Kompanie hinbekommen? 

Als ich am TLT nicht verlängert wurde, gab es 10.000 Unterschriften von Zuschauern, die mich unbedingt behalten wollten. Daraufhin haben wir ein Crowdfunding gemacht und einen Sponsor gefunden. Wir haben einen Saal gemietet, verschiedene Aktionen für Firmen und Freunde veranstaltet, die uns helfen und unterstützen. Nun hoffen wir, so viele Karten zu verkaufen, dass uns das finanziert. Der Schritt in die Selbständigkeit war mit einer ziemlich großen Investition verbunden. Und natürlich ist das ganze Unternehmen ein Risiko.

Bereits Auftritte über die Innsbrucker Stadtgrenzen hinaus in der Tasche zu haben, gab dem Team Sicherheit und ist gewiss eine Motivation?

Richtig. Die Resonanz für unser Comeback mit der Auftakt-Uraufführung „Lágrimas Negras“ war riesig. Wir haben eine große Community von Fans in Innsbruck, die uns folgen, und ich bin sicher, dass diese auch nach München kommen werden.

Wie würden Sie Ihre choreografische Arbeit charakterisieren?

Ich komme vom klassischen Ballett, wurde so ausgebildet. Meine Stücke sind immer sehr technisch. Für Bewegungen aller Stilrichtungen bin ich absolut offen. In meinen „Gatsby“ haben wir viel Swing, es gibt klassische wie moderne Elemente und Jazz. Drei meiner Tänzer zeigen eine Stepptanznummer, und unser Gatsby singt selbst. Auch eine Mischung aus Tanz und Akrobatik ist immer dabei, manchmal auch Salsa. Grenzen zwischen den Stilen existieren bei mir eigentlich nicht – alles ist möglich. Meine Leute sind ohne Ausnahme tolle, klassisch ausgebildete Tänzer, die nahezu alles können.

Offenbar haben Sie keine Scheu vor großen biografischen oder literarischen Themen. Was fasziniert sie an solchen Stoffen?

Die klassische Literatur über Tanz zu transportieren, ist faszinierend. Es macht mir einfach Freude, wenn ich so ein Sujet in mich aufnehmen und tief in es abtauchen kann. Mein Team – zwei Assistenten als Ballettmeister und ein Dramaturg, alles kreative Leute – helfen mir bei der Transformation zum Ballettstück.

Wie fanden Sie selbst zum Tanzen?

Ich war ein sehr kompliziertes, schwieriges Kind und flog aus der Schule. Deshalb ging meine Mutter mit mir zum Psychologen. Der meinte, ich müsse beschäftigt werden und abends müde ins Bett fallen, riet allerdings von Fußball oder Karate ab, weil mich das nur noch aggressiver machen würde. Es sollte eher etwas mit Musik sein. Daraufhin wurde ich zum Ballett geschickt, was ich zunächst gehasst habe. Mein Vater versuchte es dann mit Klavierspielen. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Ballett habe ich erst akzeptiert, als mir bewusst wurde, dass den Leuten gefällt, wie ich tanze. Endlich war da etwas, das ich konnte und das gut ankam. So bin ich Tänzer geworden. Mit über 30 wollte ich mit dem Tanzen eigentlich aufhören …

… stattdessen wurden Sie Ballettchef.

Ich war viel unterwegs, erschöpft und wollte zurück nach Hause. Mehrere Theater bat ich, nicht mehr anzurufen, weil ich mit dem Tanzen fertig sei. Aber die Intendantin Brigitte Fassbaender meinte: „Enrique, Du musst bleiben! – Warum nicht als Ballettdirektor?“.

Sich anderswo als Direktor zu bewerben, war keine Option für Sie?

Im Endeffekt war ich so damit beschäftigt, in Innsbruck zu bleiben, dass ich diese Möglichkeit gar nicht ins Kalkül gezogen habe. Nach 15 Jahren wäre auch ein Sabbatical in Ordnung gewesen. Jetzt sitze ich aber hier – mitten in diesem neuen Abenteuer…

"Der Fall Wagner" von Enrique Gasa Valga hat am 18. April im Festspielhaus Erl seine Uraufführung und läuft dort bis 21. April.

"Frida Kahlo" ist von 12. bis 22. Juni im Deutschen Theater München zu sehen.

Das Interview entstand anlässlich der Premiere von "The Great Gatsy" am 23. Februar im Deutschen Theater München.

 

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