Von 31. März bis 16. April findet das 29. Osterfestival Tirol in in Hall und Innsbruck mit Tanz, Musik, Performance und Film statt. Für die Eröffnungsproduktion wird bereits eifrig geprobt: 16 TirolerInnen erarbeiten dafür nämlich „Roman Photo“, mit dem Boris Charmatz eine Hommage an den wegweisenden US-amerikanischen Choreografen Merce Cunningham setzt. Dieser steht auch zum Festivalabschluss in einem Gastspiel des Ballet de Lorraine auf dem Programm.
Das Kultbuch „Merce Cunningham. Fifty Years“ ist ein „Bilderbuch“. Auf über 300 Seiten wird das choreografische Schaffen fotografisch dargestellt. Diese Chronik wurde vom Franzosen Boris Chrmatz zu einer neuen Choreografie verwoben und 2009 unter dem Titel „50 ans de danse“ mit Cunningham-Tänzern uraufgeführt. Daraus entstand „Flip Book“ mit professionellen Tänzern, „Roman Photo“ nennt er die Version mit Laien. Für das Osterfestival lernen 16 bewegungsfreudige TirolerInnen zwei Wochen lang die Fotos nachzustellen bzw. die Übergänge zwischen den Posen zu meistern. Bereits in der vierten Probe mit der Charmatz-Tänzerin Anne-Karine Lescop als Probenleiterin, die ich besuchte, zeichnete sich die Form ab: technisch alles andere als perfekt scheinen die TänzerInnen dennoch den Cunningham-Spirit überzeugend zu verkörpern. Eine charmante und originelle Idee, die dem humorvollen Meister sicher gefallen hätte. Das Ergebnis der Tiroler Version ist am 31. März in im Salzlager in Hall zu sehen ist. Cunningham taucht wieder zum Abschluss des Festivals am 16. April auf, wenn das Ballet de Lorraine mit höchster Virtuosität sein „Sounddance“ sowie „The Fugue“ von Twyla Tharp und „Steptext“ von William Forsythe in der Dogana Innsbruck tanzen wird.
„Roman Photo“ erweist sich als stimmiger Einstieg in das diesjährige Motto des Festivals: „Auf.bruch“, ein Zeichen für ein gemeinsames künstlerisches Erarbeiten. „Wir befinden uns in einer Zeit von Veränderungen, von Aufbrüchen, die wir am besten gemeinsam schaffen. Dafür ist Respekt und das Verstehenwollen des jeweils Anderen grundlegend – entgegen Verhetzung, Misstrauen und Gleichgültigkeit.“ Und, so die künstlerische Leiterin Hanna Crepaz, weiter: „Mit unseren Veranstaltungen wollen wir unserem Publikum Programme zugänglich machen, die in dieser Form sonst nicht zu sehen und zu hören sind.“
Das sind etwa österreichische Erstaufführungen wie „Déplacement“ des syrischen Choreographen Mithkal Alzghair, der seine Geschichte von Flucht und Unsicherheiten im Exil inszeniert. Das neueste Werk „Simplexity: La Beauté du geste““ des belgischen Künstlers Thierry De Mey mit Live-Musik des Ensemble intercontemporain lässt unterschiedliche Kunstformen verschmelzen (8.4.). Das Theaterstück „Hearing“ von Amir Reza Koohestani befasst sich mit der Situation in und den Auswirkungen von Überwachungsgesellschaften (15.4.). Kaori Ito zeigt mit ihrem Vater Hiroshi Ito die berührende Vater-Tochter-Beziehung „Je danse parce que je me m´fie des mots“ (10.4.)
Auch musikalisch gibt es in diesem Jahr wieder ein reichhaltiges Schmankerl-Programm von selten gehörten Stücken und der Osterzeit entsprechend: Zum Beispiel Georg Philipp Telemanns Markus-Passion (2.4.) und Alessandro Scarlattis Johannes-Passion (14.4.). Höhepunkt des Musikprogramms sind die Eigenproduktionen des Festivals, etwa mit dem Ensemble Phace und der Musik von Salvatore Sciarrino, der heuer 70 Jahre alt wird. Im Konzert werden Kompositionen des Erneuerers zeitgenössischer von den 80ern bis heute ebenso wie Morton Feldmans „Why Patterns?“ zu hören sein (6.4.). Judas Iskariot, eine der zwiespältigsten Figuren in der Begegnung zwischen Juden und Christen, steht im Zentrum des Konzerts mit PerSonat, Concerto Palatino sowie Timna und Jasmin Brauer mit Musik der Zeit Kaiser Maximilians und im Original gesungene Psalmen (9.4.). Dazu werden Dr. Bernhard Dieckmann und Professor Jósef Niewiadomski die Figur des Judas bzw. seine Rolle als "Sündenbock" am 11. April an der Theologischen Fakultät Innsbruck theoretisch beleuchten. Georg Friedrich Haas spielt in seiner Komposition "in vain" mit den Sinnen, mit unserer Wahrnehmung: eine Wechselbeziehung von Hell und Dunkel – interpretiert von den Tiroler Ensembles Windkraft und Konstellation unter der Leitung von Kasper de Roo (13.4.).
Einzelne Veranstaltungen beginnen bereits vor dem eigentlichen Festivalprogramm: Ab 11. März gibt es in der Haller Pfarrkirche jeden Samstag 30-minütige Orgelkonzerte. Fünf Organisten laden mit Werken von Bach und Brahms zu freudiger (Be-)Sinnlichkeit ein. Die Reihe „15 Orte“ bietet ab 24.3. jeweils um 15 Uhr Inseln des Innehaltens inmitten des Alltagslebens mit 30 Minuten Text und Musik im öffentlichen Raum in Innsbruck und Hall.
Osterfestival Tirol, 31. März bis 16. April, in Hall i. Tirol und Innsbruck. Details: www.osterfestival.at