Patricia Guerrero, eine der angesagtesten Nachwuchs-Bailaoras Spaniens, eröffnet die heurigen Tanztage im Posthof Linz mit ihrer jüngsten Gruppenarbeit „Catedral“. Der gefeierte Rockstar der zeitgenössischen Tanzszene Hofesh Shechter, (der für seine Arbeiten in der Regel auch den Sound komponiert), gab 2015 beim Linzer Festival sein Österreich-Debut. Heuer beendet er es mit seiner Junior-Compagnie Shechter II. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich von 17. März bis 26. April ein sorgfältig ausgewähltes und abwechslungsreiches Programm.
Die 27-jährige Patricia Guerrero entstammt einer Flamenco-Dynastie in Granada. Die einstige Primaballerina des Ballett Andaluz hat sich seit ihren ersten wilden choreografischen „Gehversuchen“ 2010 diszipliniert und auch in der Verbindung mit klassischer Musik, etwa mit ihrem Solo „Chaconne“ zu einem individuellen Ausdruck gefunden. Beim vielfach prämierten Stück „Catedral“, das bei den Tanztagen zu sehen ist, wirken vier Tänzerinnen, drei Sänger, ein Gitarrist und einen Perkussionist mit. Die Musik wurde von dem jungen Gitarristen Juan Requena kreiert, Manuel Madueño verwandelt den Bühnenraum mit seiner ausgezeichneten Lichtregie in eine Kathedrale.
Denn der laut Eigendefinition gläubigen Christin Patricia Guerrero geht es in ihrer Choreografie um die Rolle der Frau in der katholischen Kirche, um die dunklen Seiten in dem von Männern vorgegebenen Regelwerk voller Gesetze und Unterdrückungsmechanismen. Mit Patricia Guerrero präsentiert sich der Flamenco der jungen Generation als selbstbewusste Kunstform ohne die ihr immanente Leidenschaft zu verleugnen. (17. März)
Auf das elegante Feuerwerk iberischer Rhythmen folgt die hierzulande neu zu entdeckende National Dance Company of Wales. Die hochgelobte Gruppe aus Cardiff bringt mit einem Dreiteiler ein abwechslungsreiches Kaleidoskop zeitgenössischer Choreografie. „Tundra“ des Spaniers Marcos Morau entführt Augen zwinkernd in die Zeit der russischen Revolution. Nach der Beziehungsminiatur, dem verspielt-romantischen Duo „Seek“ von Lee Johnston, Probenleiterin der Compagnie, endet der Abend mit einem Werk der residenten Choreografin Caroline Finn zwischen surrealer Fantasie und Realität: „Folk“ ist ein Stück über die Dynamik sozialer Beziehungen, das ausgehend von Ölgemälden aus dem 17. und 18. Jahrhundert entwickelt wurde. (5. April)
Die São Paulo Dance Company setzt auf erlesene Choreografen: Marco Goecke spielt in seinem für die Compagnie geschaffenen Werk „Peekaboo“ (Kuckuck) mit Gegensätzen wie Sein und Nichtsein, Sichtbarkeit und Verschwinden. Der nervöse, eckige Stil des deutschen Choreografen steht in krassem Gegensatz zu den fließenden Bewegungen von Nacho Duatos mediterraner tänzerischer Reise in „Gnawa“. Ein Heimspiel für die brasilianische Compagnie, die Lebensfreude und Energie in ihrer C.I. hat, ist das dritte Stück des Abends: „Gen“ von Cassi Abranches, einem ehemaligen Mitglied der legendären Grupo Corpo, zu einem Soundtrack von Marcelo Jeneci und Zé Nigro. (21. April)
Hofesh Shechter gilt als heißester Tipp der zeitgenössischen Tanzszene made in the UK. In einem Casting von über 1000 TänzerInnen wählte der israelische Choreograf mit Wohnsitz in Großbritannien die acht Mitglieder für seine Junior Company aus. Premiere von Shechter II mit „Clowns“, einem ursprünglich für das Nederlands Dans Theatre kreierten Stück und einer neuen, bislang namenlosen Werk ist am 17. März in Reggio Emilia, Italien. Die Aufführung im Posthof Linz findet kurz danach, am 26. April, statt.
Wie jedes Jahr bietet das Linzer Festival auch heimischen Künstlerinnen eine Plattform für ihre Arbeiten. Inspiriert von den Bildern Franz von Stucks entwickelt Rosalia Wanke in „Bezirzungen“ archetypische Frauen-Tableaus. (7. März)
Am 22. März feiert die Bahn brechende Linzer Tanzinitiative RedSapata ihr zehnjähriges Jubliäum im Posthof mit einer Aufführung von drei Choreografien (von Samer Alkurdi, Natascha Wöss & Monika Huemer und Lee Jung), mit Live-Musik und DJs. Gründungsmitglied Ilona Roth und ein roter Tanzteppich sind die Konstanten der 2003 gegründeten RedSapata Tanzfabrik, die sich heute vor allem als Produktions- und Vernetzungsstelle für Künstlerinnen und Künstler des zeitgenössischen Tanzes versteht und lokale und internationale Tanzkunstschaffende zusammenbringt. In den RedSapata-Räumlichkeiten wurden in den letzten zehn Jahren über 100 Bühnenproduktionen geprobt und realisiert. Außerdem veranstaltet RedSapata das biennale Tanzhafenfestival.
Die oberösterreichische Tänzerin und Choreografin Silke Grabinger und ihre kanadische Kollegin Emmanuelle Le Phan setzen sich in „Woven Heads“ mit materiellen und immateriellen Verstrickungen auseinander. Die beiden trafen einander bei ihrer Arbeit im Cirque de Soleil in Las Vegas. Zehn Jahre später finden sie sich für diese Art Performance zusammen, in der sie sich aus den Haarwurzeln heraus bis an die ineinander verknoteten Haarspitzen verflechten und entflechten.
Den Abend des 12. April teilen sie sich mit Charles Kaltenbacher, der in „Das Innerkleid und sein Drumherum Fleisch“ aus der Tarzan-Perspektive eine Anfrage an den Feminismus stellt.