Seit zehn Jahren erforscht Regisseur und Choreograph Bernd R. Bienert die historische Aufführungspraxis von besonderen Musikwerken des 18. Jahrhunderts und bringt diese mit dem von ihm gegründeten Teatro Barocco zur Aufführung. Zum Jubiläum gibt es nun im Neuen Burgsaal in Perchtoldsdorf einen Doppelabend mit zwei besonderen Fundstücken: Die einaktige Oper „La Corona“ von C.W. Gluck zu einem Libretto von Pietro Metastasio, und danach das Melodram „Philon und Teone“ von Georg Anton Benda, letzteres ist eine Uraufführung. Wie stets hat Bienert beide Werke mit dem Ensemble in historisch informierter Manier erarbeitet.
Beiden Werken war das beschert, was vielen Aufführungen in den vergangenen anderthalb Jahren Corona-bedingt beschieden war: Sie konnten nicht über die Bühne gehen. Natürlich hat das Los von Glucks Azione teatrale „La Corona“ nichts mit dem heimtückischen Virus zu tun, das seiner Form wegen den italienischen Namen für „Krone“ trägt. Um eine Krone geht es auch in dem Musikstück, dass Erzherzogin Maria Theresia 1765 bei Gluck und Metastasio in Auftrag gab, als Geschenk zum Namenstag ihres Ehemannes, des Kaisers Franz I. Stephan. Vier ihrer Töchter sollten im Jagdstück mitwirken, denn sie waren ja immerhin Musikschülerinnen Glucks. Es kam nicht zur Uraufführung, weil der Kaiser plötzlich in Innsbruck verstorben war.
Im 20. Jahrhundert hab es konzertante Aufführungen und auch Aufnahmen, aber erst Bienert inszeniert das Werk in jener Manier, die dem Stil der damaligen Aufführungspraxis möglichst nahekommen will. Das betrifft Gesang wie in der historischen Opera seria, Gestik, Proxemik, Kostüme, Bühne, und selbstverständlich ein Orchester, das auf historischen Instrumenten spielt. Auch auf Requisiten legt Bienert großen Wert, wie auf die Lanze in „La Corona“: „Wenn im Libretto steht, dass die Figuren eine Lanze tragen, so lasse ich das nicht einfach weg, sondern gehe der Frage nach, warum das so ist. Die Lanze galt damals als Symbol der Macht des Kaiserhauses, die mitspielenden jungen Erzherzoginnen unterstrichen somit im Stück auch ihre Bedeutung am Hof.“
In Kürze gesagt, erzählt die Oper ein Jagderlebnis, in dem ein Kalydonischer Eber getötet werden soll, was auch gelingen muss, weil jener Eber in der barocken Emblematik ein Symbol des heidnischen Untiers ist. So wird er klarerweise vom Christentum bezwungen, und der Kaiser erhält als Stellvertreter Gottes im Habsburgerreich am Ende auch eine Krone in Form des Lorbeerkranzes.
Bendas Melodram aus dem Jahr 1779, „Philon und Theone“ ist eine echte Uraufführung, weil auch dieses Werk nie gespielt wurde, oder wenigstens nie in der originalen Form. Benda war ein erfolgreicher Komponist und Melodram-Autor und widmete diesem speziellen Genre, das im späten 18. Jahrhundert sehr populär war, einige Stücke. Das Melodram war eine Mischung aus Musik und gestischer sowie pantomimischer Deklamation. Mozart schätzte Bendas Melodram „Medea“ sehr. „Philon und Theone“ liegt ein an Orpheus erinnernder Plot zugrunde, denn Philon möchte seine (aus unklaren Gründen) verschiedene Geliebte suchen, weiß aber nicht, wo. Zum Einsatz kommt auch eine damals neu entwickelte Glasharmonika, speziell zur Erzeugung übernatürlich wirkender Klänge.
Die Aufführungen sind zuerst in Perchtoldsdorf zu erleben – wo Gluck übrigens ein Sommeranwesen besaß – und dann noch an einem Abend im Schlosstheater Schönbrunn, es sei denn, das Virus Corona macht der Oper „La Corona“ einen Strich durch die Rechnung.
„La Corona“ und „Philon und Theone“: 12. Bis 22. August im Neuen Burgsaal Perchtoldsdorf und 1. September im Schlosstheater Schönbrunn. Info und Karten: www.teatrobarocco.at.