Eine durch die Pandemie gestörte und großteils entfallene Spielzeit 2020/21 hat zu Verwerfungen, Aufteilungen Verschiebungen geführt. So haben die Wiener Festwochen ihr Programm auf „Festmonate“ ausgedehnt, die demnächst fortgesetzt werden. Das Theater an der Wien startet seine Saison bereits Ende August mit einer Intrada von John Neumeier. Im September kündigt sich in Klagenfurt erneut das Tanzfestival Pelzverkehr an.
Wiener Festwochen
Die Wiener Festmonate nehmen ihren Spielplan am 24. August wieder mit „La Trilogie des Contes Immoraux (pour Europe)“ auf. Nach ihrem Erfolg mit „Maison Mère“ bei den Festwochen 2019 hat Phia Ménard mit ihrer Compagnie Non Nova die Thematik zu einem Dreiteiler erweitert: Anhand von drei unmoralischen Geschichten hinterfragt sie die Fundamente eines geeinten Europas, das dem Untergang geweiht ist. (bis 26. August, Halle E im Museumsquartier).
Die dystopische Tendenz ist auch in „Altamira 2045“ von Gabriela Carneiro da Cunha manifest. Sie spürt darin der Zerstörung des Rio Xingu, eines Nebenflusses des Amazonas nach (25. bis 31. August, Halle G im MQW).
Michikazu Matsune, Wiener Performer und Choreograf japanischer Provenienz, oszillierte in „Mitsouko & Mitsuko“ zwischen fiktiven und realen Welten: zwischen Mitsuko Coudenhove-Calergi, dessen Sohn Anfang des letzten Jahrhunderts die paneuropäische Union gründete, und Mitsouko, einem zu dieser Zeit von Guerlain kreiertem Parfum, aber auch einer japanischen Romanfigur gleichen Namens. (25. bis 28. August, Kasino am Schwarzenbergplatz)
„Mitten“ nennt sich die Serie von interaktiven Performances und praktischen Laboren, in denen Künstler*innen mit dem Publikum in einen prozessorientierten Dialog treten werden. Von 1. bis 12. September sind zahlreiche Aktionen auf öffentlichen Plätzen, in Parks, Museen oder an der Donau, tagsüber und abends, bei freiem Eintritt zu erleben.
Das herzzerreißende Finale der diesjährigen Festmonate bestreiten von 23. bis 25. September Tim Etchells, Mitbegründer der legendäre Gruppe Forced Entertainment und die Violinistin Aisha Orazbayeva: “Heartbreaking Final“, eine auf Improvisation beruhende sprachlich-musikalische Performance hat am 23. September seine Uraufführung und ist bis 25. September im Jugendstiltheater am Steinhof zu sehen.
Das Hamburg Ballett in Wien
Sein erstes Beethoven-Projekt entstand erst 2018, das zweite ist im Gedenkjahr zum 250. Geburtstag des Komponisten entstanden. Am 28. und 29. August kommt das Hamburg Ballett mit einer quasi-Uraufführung ins Theater an der Wien. Denn im Gegensatz zu der Corona bedingten kleinen Orchesterbesetzung in Hamburg, wo Ende Mai die Premiere stattfand, wird in Wien „Meine Seele ist erschüttert / Beethoven-Projekt II“ zum vollen Orchestersound getanzt (musikalische Leitung: Constantin Trinks). Roland Geyer, der mit dieser Saison seine Intendanz im Theater an der Wien beendet, krönt seine langjährige Zusammenarbeit mit John Neumeier und dem Hamburg Ballett also mit einer glanzvollen Ballett-Intrada.
Gibt es im ersten Teil des Ballett-„Projekts“ noch biografische Bezüge zu Beethoven (zur Violinsonate Nr. 7 c-moll und die Klaviersonate Nr. 21 C-Dur) so sieht Neumeier seine Choreografie zur 7. Sinfonie als „eine Hommage an den Ursprung des Tanzes.“
Die choreografische Umsetzung, sagt Neumeier, ist „nicht mehr nur das Werk eines bewunderten Meisters, sie muss etwas ganz Nahes werden – für mich persönlich, damit ich damit arbeiten kann. Genau wie mein erstes abendfüllendes Beethoven-Ballett betrachte ich die neue Kreation als Projekt: Es gibt keine nacherzählbare Handlung, es ist kein choreografisches Porträt, auch kein rein sinfonisches Werk. Beethoven-Projekt II basiert auf der Faszination und Verbindung eines Choreografen zu einem großen Musiker, mit einer Auswahl von Werken, die ihm zusagen. Diese Werke lassen eventuell biografische Fragmente erahnen; durch die Improvisation zu dieser Musik erfahre ich sie zugleich als geniale Tanzmusik – eine Musik für Tanz in seiner reinsten Form.“
Pelzverkehr
Das Alpen-Adria Festival für zeitgenössischen Tanz „Pelzverkehr“ findet heuer zum sechsten Mal von 18. bis 25. September in Klagenfurt statt. Das Performance Programm mit Künstler*innen aus Österreich, Italien und Slowenien eröffnet am 18. September mit „Greetings from all around“ von Fabian Türk, Sophia Hörmann und Phoebe Berglund, gefolgt von Alex Deutingers und Alexander Gottfarbs „Chivalry is Dead“. Der Höhepunkt kommt zum Schluss mit Amancio Gonzalez (ES). Der langjährige Tänzer von William Forsythe (Frankfurt Ballet, Forsythe Company) thematisiert in „Blue prince black sheep“ das Altern, hybride Männlichkeit und Dogmen des klassischen Balletts. Daran anschließend tanzt er das legendäre Anna-Pavlova-Solo „Der sterbende Schwan“ – auf Spitze. „In klassischen weißen Leggins und mit bloßem Oberkörper, ohne Schwanenkostüm, Tutu und Federkrone ist Gonzalez Lichtjahre entfernt von modischem Gender-Cross. Sein Schwan ist sozusagen nackt ohne Gefieder und zeigt mit jeder Muskelregung, wie schwer das anmutige Sterben fällt.“ (tanznetz.de). Außerdem bietet Pelzverkehr Workshops zum Mitmachen, eine Tango-Disco, Talks und vieles mehr.