Sie ist rundhum spürbar, die Erschöpfung, die weite Teile der Gesellschaft erfasst hat. Diesem Thema widmet sich das 36. Osterfestival Tirol und weist mit dem Titel gleichzeitig darauf hin, dass in diesem Wort auch „Schöpfung“ enthalten ist: „er.schöpfung“ wird von Künstler*innen aus u.a. Kenia, Marokko, Libanon, Israel und Europa in mannigfachen Formen beleuchtet.
Das Tanzprogramm ist in dieser Ausgabe umfassend und vielfältig. Den Auftakt macht der libanesische Choreographen Omar Rajeh mit „Dance Is not for Us“, einem autobiografisch inspirierten Solo. Der in Lyon ansässige Künstler erfuhr den Tanz als provokanteste Form, gegen die Strukturen der Macht in seinem vom Bürgerkrieg geprägten Land Position zu beziehen. (17. März).
Mit der Begrenztheit unserer Wahrnehmung spielt Michael Turinsky, in dem er unsere Vorstellungskraft herausfordert und unsere Bezugssysteme in „Precarious Moves“ hinterfragt. Der mit dem Nestroy Spezialpreis für Inklusion auf Augehöhe ausgezeichnete österreichische Choreograph zeigt sein Solo am 23. März.
Unter dem Titel „Tanz.bewegt“ werden drei vollkommen unterschiedliche Auseinandersetzungen mit dem Festivalthema vorgestellt.
Der marokkanische Choreograph Taoufiq Izeddiou verfolgt mit seinen Stücken sein Interesse an Spiritualität jenseits von Religion. Im Zentrum stehen Gemeinschaft, Verletzlichkeit und Widerstandskraft. Sein neues Stück „Hmadcha“ ist von Ritualen der über 400 Jahre alten Hmadcha-Bruderschaft inspiriert und verbindet die Sufi-Tradition mit zeitgenössischem Tanz und Rhythmus. (27. März).
Seit Jahren unterstützt Wim Vandekeybus junge Choreograph*innen und lädt sie ein, Stücke für seine Compagnie Ultima Vez zu kreieren. Eines davon ist „What Remains“ von Zoë Demoustier. Auf der Bühne treffen sich Generationen, die ein leidenschaftliches Portrait des Miteinanders bilden (29. März).
Mit „Prélude“ lässt die Compagnie Accrorap das Festival poetisch-rasant enden. Der künstlerische Leiter und Choreograf Kader Attou gehört zu den wichtigsten Vertretern des französischen Hiphop, der in seinem Stil zeitgenössischen Tanz, Artistik und Street Dance vereint. Die Spannung und Intensität der Musik lässt er mit der Virtuosität der Performerinnen und Performer verschmelzen (31. März).
Die Broom Company (Eva Müller, Peter Brandlmayr, Martin Brandlmayr) begeben sich mit dem trans- und interdisziplinäres Bandprojekt „Volume 1“ auf neue Wege, auf denen sich zeitgenössischer Tanz, elektronische Musik, Schlagzeug und Performance treffen. Inspirationsquelle und Motor ist Finnegans Wake von James Joyce (21. März).
Zu den musikalischen Highlights des Festival, das so genial alte und zeitgenössische Musik zu verbinden weiß, zählt unter anderem die Eröffnung am 15. März mit Orlando di Lassos „Prophetiae Sibyllarum“, interpretiert von Cantando Admont unter der Leitung von Cordula Bürgi. Dieser einzigartigen Komposition werden zeitgenössische Echos von Komponist*innen wie Samir Odeh-Tamimi und Younghi Pagh-Paan gegenübergestellt.
Das Holland Baroque & Vokalensemble entführt in die musikalische Welt rund um die Zwillingsschwestern Judith und Tineke Steenbrink im 17. Jahrhundert, das von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten im Süden und Osten der Niederlande geprägt war. „Tränen aus Brabant“ ist am 24. März zu sehen und zu hören.
Das österreichische Ensemble Names erforscht mit Werken von Haas, Osojnik sowie Tenney Musik bis hin zu ihrer Auflösung (Di, 19. März). Phace widmet sich – dieses Jahr gemeinsam mit Büro Lunaire – akustischen Illusionen. Ein Live-Hörspiel mit Musik, das über ein Kunstkopfmikrofon das Publikum in eine neue Dimension (360°) mitnimmt (Di, 26. März). Griseys Meisterwerk Le Noir de l‘Étoile fesselt durch die Verbindung von sechs – rund um die Zuhörer verteilten – Schlagwerkern um Andreas Schiffer und perkussiven Klängen aus dem All (Gründonnerstag, 28. März).
Die Cantori Gregoriani Milano begleiten das Osterwochenende musikalisch in der Karfreitagsliturgie (29. März) und mit einer Trauermette am frühen Morgen des Karsamstags (30. März). Am Abend findet die Passionsgeschichte Christi mit Bachs Matthäus-Passion, gespielt vom Collegium Vocale Gent unter Philippe Herreweghe, ihren Höhepunkt.
Filme ergänzen auch in diesem Jahr wieder das musikalisch-tänzerische Programm.
Osterfestival Tirol 2024 von 15. bis 31. März in unterschiedlichen Spielorten in Innsbruck und Hall in Tirol