Saisonstart, neue Geschäftsführung, Übersiedlung: eine gute Stunde füllten die Neuigkeiten das Pressegespräch im brut nordwest. So wurde die mehrfach bewährte Stephanie Höltschl zur Geschäftsführerin des Kooperations-Performancehauses ernannt, während die künstlerische Direktorin, Kira Kirsch, bis zum Ende der Spielzeit 2025/26 bleibt, aber schon im kommenden Jahr das Festival perspectives in Saarbrücken leiten wird.
Dazu kommt die räumliche Veränderung, denn brut wird aus dem – gar nicht so ungeeigneten – Industriebau in der Nordwestbahnstraße in Wien-Brigittenau zizerlweis an einen neuen, „endgültigen“ (?) Standort in Neu Marx, Karl-Farkas-Gasse, siedeln. „brut dazwischen“ heißt die interimistische Lösung, die in Containern und gastgebenden Locations des Dritten Wiener Gemeindebezirks vollzogen werden soll.
Rück-Spiegel: Mehr als 10.000
In der abgelaufenen Saison vermeldet brut 50 realisierte Projekte, davon 16 Uraufführungen mit lokalen und internationalen Künstler*innen, mehrere österreichische Erstaufführungen Wiederaufnahmen, Gastspiele, Neubearbeitung. An 143 Spieltagen gab es 171 Einzelveranstaltungen mit mehr als 10.000 Zuschauer*innen. Das 35-Jahr-Jubiläum des Festivals imagetanz im März brachte eine Auslastung von 96 Prozent.
Mit der internen wie auch publikumsorientierten Bearbeitung der Themen Gender, Inklusion, Barrierefreiheit wurde längst begonnen, diese wird aber vehement weitergeführt.
Start mit Inge Gappmaier
Zeit, Raum, Geschichte werden gleich zu Beginn und dann immer wieder eine Rolle auf der brut-Bühne spielen, wie Chef-Dramaturg Flori Gugger betonte.
Drei Uraufführungen mit unterschiedlichen Raumerfahrungen können die Besucher*innen erleben.
Ganz in der Gegenwart verhaftet ist Inge Gappmaiers installative Tanzperformance „now“, die den Moment des Jetzt in den Fokus rückt und einen mehrdimensionalen Klang- und Bewegungskosmos schafft. In virtuelle Welten gelangen wir mit „Darum“ von Victoria Halper und Kai Krösche in ihrer Installation „End of Life“. Sie fragen, was mit dem digitalen Erbe geschieht, und setzen zur Beantwortung dem Publikum eine VR-Brille auf.
Altwerden und die damit verbundenen Ängste untersuchen die brut-Filiale Der Betrieb im 15. Wiener Gemeindebezirk mit Anna Maria Nowak in „The Generation Season“.
Gesellschaftliches und sehr Persönliches
Zum Thema Zeitqualität und -wahrnehmung arbeitet Asher O’Gorman mit einer disziplinübergreifenden Installation. Langeweile als Kontrapunkt kapitalistischer Kulturproduktion.
Alix Eynaudi beschäftigt sich in „Death by Landscape, a concert“ mit dem Nichtigen, Nebensächlichen, Nichtstun. Störungen und wiederkehrende Zeitschleifen bilden die Grundlage für das Projekt der Compagnie Hungry Sharks.
Gesellschaftspolitische und machtkritische Themen rücken – nicht nur in der realen Politik – in den Herbstfokus: Myassa Kraitt nimmt in „The Last Feminist“ Bezug auf die ausgeschlossenen feministischen Stimmen in der Geschichtsschreibung. Angesichts des Erstarkens rechtsextremer Stimmen laden Nazis & Goldmund zu einem zweitägigen Labor im studio brut und im Literaturhaus Wien ein.
Um persönliche Geschichten drehen sich zwei Produktionen im November. Während Tubi Malcharzik und Team in „Paskudnik“ einen queeren Blick auf ihre deutsch-polnische Familiengeschichte werfen, widmen sich Anne Juren und Matthias Kranebitter kollektiver Fürsorge mit der Performance „We Are All Mothers WAAM“ auf musikalisch-choreografische Weise.
Huggy Bears Days bieten, ebenfalls im Herbst, in Kooperation mit WUK performing arts statt und bieten Einblick in Wiens junge Performanceszene. Darunter Projekte von Ale Bachlechner, Helena Araújo und Mo-za-ik. Zudem wird es im brut-Herbst zwei Workshops von Charlotta Ruth und Cleidy Acevedo geben.