Malerei und Tanz haben als Kunstformen viele Schnittpunkte, wenn sie sich auch im zeitlichen Aspekt gegenteilig definieren. Die vielen, ähnlich verwendeten Begriffe und Schaffensprozesse sind es wert, die Gemeinsamkeiten näher unter die Lupe zu nehmen. Aufgrund einer persönlichen Affinität zu beiden Kunstsparten hat Carmen Pratzner sich in ihrer Abschlussarbeit anhand der Werke von Johann Kresnik näher damit beschäftigt.
Der aus Kärnten stammende Choreograph ist weniger dafür bekannt auch Gemälde zu schaffen, noch interessanter ist aber die enge Verbindung von Malerei und Tanz in seiner Arbeitsweise auf der Bühne. Die Malerei war oft mehr als nur themengebend und Kresnik arbeitete immer wieder mit bildenden Künstlern (u.a. Gottfried Helnwein) zusammen.
Im ersten Teil der Arbeit stehen Johann Kresnik als Person, sowie seine Arbeitsweise im Fokus. Nicht zuletzt durch seine Biografie wird der Choreograph sehr in seiner Arbeitsweise von der Malerei beeinflusst. Er hat seine zeichnerischen Arbeiten und Skizzen eng mit der Arbeit am Theater verbunden.
Danach wird auf theoretische Abhandlungen und philosophische Theorien über die Gemeinsamkeiten und Schnittpunkte der Künste und auch auf die Unterschiede der Bereiche eingegangen. Dazu geben die tanzphilosophische Abhandlung von Miriam Fischer1 über die Leibphänomenologie von Maurice Merleau-Ponty und ein Werk von Susanne Foellmer2, das Tanz von einem ikonographischen Blickwinkel analysiert, eine Hilfestellung zur Untersuchung von interdisziplinären Werken. Diese zwei Abhandlungen sind die Hauptstützen für die zu untersuchenden Prozesse der besprochenen Stücke Kresniks.
Es folgen die genauere Untersuchungen der beiden Werke Frida Kahlo (uraufgeführt 1992) und Francis Bacon (uraufgeführt 1993).
Die Werke werden beschrieben und anhand von ausgewählten Szenen mit der Malerei bzw. dem Vorbild in ein Verhältnis gesetzt. Das Ziel ist, die theoretischen Annahmen und Thesen am praktischen Beispiel des Bühnenstücks auf die tatsächlichen Übereinstimmungen zu überprüfen. Der Fokus liegt dabei fast ausschließlich auf dem Aspekt des Visuellen.
Beim Beispiel Frida Kahlo gelingt es, mithilfe der ikonographischen und tanzphilosophischen Betrachtungsweise, die Gemeinsamkeiten von Tanz und Malerei in Kresniks Arbeitsweise herauszufinden.
Das Stück Francis Bacon neigt noch mehr zur Philosophie, weil es abstrakter aufgebaut ist. Es gibt keine Handlung, keine Geschichte und doch wird dem Zuschauer viel vermittelt, die Frage nach der Menschlichkeit, dem Vergänglichen, die psychologische Analyse eines Menschen, die Kritik an der Gewalt oder der Religion, am Ausgeliefert-sein. Dies gelingt vor allem durch verschiedene Methoden, die Kresnik sich aus der bildenden Kunst ausgeliehen hat. Durch die ikonographische Betrachtung wird dies noch deutlicher.
Johann Kresnik schafft es bewusst oder unbewusst Malerei und Tanz so eng zu verweben, dass er eine einzige Ausdrucksform kreiert.
Es sollte der Versuch gestartet werden, von einer neuen Betrachtungsweise interdisziplinärer Kunstformate auszugehen. Die Kunstwissenschaften sind sich ihrer Begriffe noch uneins. Es sind keine einheitlichen Kunsttheorien, die diese Werke beschreiben können, definiert.
In dieser Arbeit werden neue Begriffe aus anderen Kunstwissenschaften auf die Betrachtung von Tanzstücken angewendet, um somit Gemeinsames nachzuweisen. Vielleicht ist es nötig interdisziplinäre Ansätze zur wissenschaftlichen Forschung für interdisziplinäre Formate herauszuarbeiten. Dennoch stellt sich die Frage, ob dies überhaupt möglich ist, angesichts der unzähligen neuen Formate. Es ist schwierig für die Kunsttheorie, sich auf eine Betrachtungsweise zu einigen, die es schafft, für alle Sparten anwendbar und allgemein gültig zu sein.
1 Fischer, Miriam: Denken in Körpern. Grundlegung einer Philosophie des Tanzes, Freiburg im Breisgau 20102 Foellmer, Susanne: Am Rand der Körper. Inventuren des Unabgeschlossenen im zeitgenössischen Tanz, Bielefeld 2009
Bachelorarbeit von Carmen Pratzner an der Konservatorium Wien Privatuniversität 2014: „Die Verbindung von Malerei und Tanz im choreografischen Schaffen von Johann Kresnik. Versuch einer konzeptuellen Betrachtung interdisziplinärer Arbeitsweisen."
Carmen Pratzner, BA BA
Absolvierte die Studien Kunstgeschichte an der Universität Wien und zeitgenössische Tanzpädagogik an der Konservatorium Wien PU (jetzt MUK). Für die Saison 2014/15 bekam sie das Förderstipendium des Tanzquartier Wien.
Seit ihrem Abschluss ist sie als freischaffende Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin in ganz Österreich unterwegs. Sie war u.a. bei den Bregenzer Festspielen und im Theater an der Wien auf der Bühne zu sehen und hat für das Museum der Moderne in Salzburg bereits zwei Installationen kreiert. Die nächste installative Performance für die Ausstellung „Affichomanie Henri Toulouse Lautrec und das Plakat“ wird im Mai zu sehen sein. Tanz und Malerei konnte sie ebenfalls bei der Performance zum roten Teppich für junge Kunst im Künstlerhaus in Wien (2015) oder auch beim Bazart in Dornbirn (2015) verbinden.
Ihr nächstes Projekt wird ebenfalls interdisziplinär; es wird gemeinsam mit den Kolleg_innen Silvia Salzmann, Natalie Fend, Thomas Geismayr; dem Jazzorchester Vorarlberg und dem Komponisten Clemens Wenger im Mai in Bregenz uraufgeführt.
Als Tanzpädagogin ist sie an den vereinigten Ballettschulen in Wien und im Loft25 für Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 16 Jahren tätig. Sie gibt diverse Tanzworkshops an Volkschulen und arbeitet derzeit auch mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen.
carmenpratzner.weebly.com