Schmerzhaft schön: Sasha Waltz warf bei der Österreich-Premiere von Beethoven 7 das verdatterte Publikum zu harschen Elektro-Beats ins kalte Wasser, um dann den sicheren Hafen des Bildungsbürgertums anzusteuern.
Ist das noch Beethoven oder schon das Berghain? Titelgebend für den Abend war zwar das Aushängeschild der Wiener Klassik, doch zu Beginn des Abends wähnte man sich eher in einem Techno-Tanz-Tempel in Berlin: Die gefeierte deutsche Choreografin eröffnet Beethoven 7 nämlich nicht mit Beethoven, sondern mit den wummernden Bässen der eigens erstellten Komposition Freiheit/Extasis des Chilenen Diego Noguera. Wie eine dunkle Gewitterwolke wabert die elektronische Musik über das Kollektiv von Sasha Waltz and Guests. Die 13 Tänzer:innen verschwinden fast im erdrückenden Bühnennebel. Durch die Schwaden erkennbar: rote Lichtblitze, Körper in Kontorsion, futuristische Masken. Barfuß, stampfend, pulsierend wird hier ein neues Zeitalter eingeläutet – oder in einem Rave dem Ende einer Ära entgegengetanzt. Das Publikum vibriert zwangsläufig mit, wird von der Lautstärke beinahe erdrückt oder nestelt noch rechtzeitig die Ohropax hervor, die präventiv beim Einlass verteilt wurden. Dann: Stille, Buhrufe und vereinzelter Applaus.
Beethoven als Kontrastprogramm
Ein frühlingshafter Reigen, zu den titelgebenden Klängen der 7. Symphonie, heißt das Publikum in der zweiten Hälfte des Abends willkommen. Wo vorher Chaos und Dunkelheit war, schweben nun bei klarer Sicht ausgeklügelte geometrische Formationen über das Parkett. Besonders berührend ist der 2. Satz: Feierlich, in schwingenden schwarzen Röcken, bieten die Tänzer:innen dem bekannten Trauermotiv Kontra und recken dem Schicksal stolz den Kopf entgegen. Ein kurzes Solo und ein Pas-de-deux zwischen den Sätzen, ohne Begleitung durch die Tonkünstler, werfen die Frage auf, ob es nicht auch ohne Beethoven geht: Der Aufprall der Füße auf dem Boden, kraftvolles Ausatmen sind Geräusch genug.
Das Nebeneinander und Gegeneinander der zwei Stücke bleibt rätselhaft: Vergeben und vergessen ist Nogueras düsterer Schockeffekt. Beethoven wirkt als Balsam für das irritierte Publikum: Die kühle, traumtänzerische Perfektion von Waltz immens musikalischer Choreografie, überlagert bereits den wilden Taumel der Anfänge.
* Dieser Text ist Teil einer Kooperation mit dem Festspielhaus St. Pöten, bei der in unregelmäßiger Folge Eindrücke der Festspielhaus-Reporter*innen-Community über Tanzperformances veröffentlich werden.