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NotteMorriconeWenn der Wind Staub aufwirbelt und wir die Umrisse eines Halunken nur schemenhaft sehen. Wenn vor dem Showdown erst das Auge zuckt und dann die Hand zum Revolver: Dann hören wir seine Musik. Marcos Morau und die Kompanie CCN/Aterballetto streuen dem ikonischen Komponisten der Italowestern in „Notte Morricone” Rosen.

Ennio Morricones Werk ist weitaus vielfältiger als das vermutlich bekannteste Stück der Mundharmonika-Literatur, das selbst jene kennen, die nie den Film "Spiel mir das Lied vom Tod" gesehen haben. In "Notte Morricone" zollt der spanische Choreograf Marcos Morau dem ausufernden Lebenswerk Morricones Tribut. Dessen Oeuvre beschränkt sich eben nicht nur auf den Soundtrack der Spaghettiwestern. Morricone arbeitete an über 500 Filmen mit, hinterließ aber auch in anderen Genres, darunter Pop und Messen für den Papst, seine Spuren. Ihm hätte mit Sicherheit gefallen, dass die Produktion des italienischen Tanzzentrums Centro Coreografico Nazionale / Aterballetto in St. Pölten erstmals mit Live-Musik zu hören war. Die Tonkünstler unter Maurizio Billi untermalten die 90 Minuten, mit Extra-Unterstützung an Harmonika und Panflöte sowie durch die Sopranistin Federica Caseti Balucani.

Dunkle Kammer statt Wilder Westen

Morau verwebt in Notte Morricone die Biografie des Komponisten mit seinem fieberhaften Schaffensprozess. Die Bühne ist Morricones Dunkelkammer, in der er seine Melodien entwickelt; übergroße Scheinwerfer bringen die Musik ans Licht. Die mobilen Elemente des Bühnenbilds – Wände, Tische und Stühle, ein Flügel – sind wie Morricones Gedanken stets auf Wanderschaft, ständig auf der Suche nach dem nächsten Geistesblitz. 

Eingespielte Versatzstücke aus Interviews und Texte von Carmina S. Belda stecken die Stationen eines Lebens ab: Die frühe Liebe zur Trompete, die lebenslange zur Musik und zu seiner Frau Maria. Die Obsession mit dem Schachspiel, der lange Wege zu Ruhm und Anerkennung in Form von zwei Oscars: 2007 einer für sein Lebenswerk und 2016, vier Jahre vor seinem Tod, die Auszeichnung für die „Beste Filmmusik“ zu Quentin Tarantinos "The Hateful Eight".

Ein Morricone ist niemals genug

Morricones Look hat denselben Wiedererkennungswert wie seine Melodien: Mit Hosenträgern und schwarzer Hornbrille verkörpert zuerst ein Tänzer den Komponisten. Bald gesellt sich ein Alter Ego dazu, bis schließlich 16 Morricone-Klone die Bühne bevölkern. Das Ensemble agiert wie einziger Körper: absolut synchron, stakkatoartig versetzt und weich wie Wellen laufen die komplexen Bewegungen durch die Gruppe. Erst in der zweiten Hälfte spielt Morau dann doch die Cowboy-Karte. Wurde Morricones Musik zunächst bewusst von der Filmwelt entkoppelt, um zu zeigen, dass sie natürlich für sich allein stehen kann, ist diese choreografische Gelegenheit doch unwiderstehlich: Breitbeinig und selbstbewusst präsentieren die Tänzer:innen den Line-Dance der Saloons. 

Die wundersame Vermehrung der Morricones nimmt kein Ende: Morau lässt das Tänzerkollektiv zuerst einer, dann drei und zuletzt sieben Handpuppen mit Morricones Zügen das Leben einhauchen. Dem Publikum war aber bereits vor diesen zahlenmystischen Spielen klar, welch immenses Werk ein einziger, emsig schaffender Römer der Welt hinterlassen hat. So ist Moraus "Notte Morricone" Liebeslied und Lamento zugleich, und vor allem: eine virtuose Verbeugung vor dem Maestro.

 

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