Dass Pina Bausch (1940-2009) mit ihrer Arbeit den Bühnentanz und das Theater nachhaltig veränderte, ist heute eine Binsenweisheit. Doch zu Beginn ihres künstlerischen Werdeganges stieß die Choreografin vor allem auf heftige Ablehnung von Seiten des Publikums und der Presse. Die Arbeit ihrer ersten Jahre am Wuppertaler Theater hat der Fotograf KH. W. Steckelings festgehalten. Der Bildband "Pina Bausch backstage" vermittelt die intime Atmosphäre, mit denen Bausch und ihre TänzerInnen ihre neue künstlerische Visionen entwickelt haben.
1974 und 1975 besuchte KH. W. Steckelings die Proben des neuen Wuppertaler Tanztheaters. Pina Bausch brauchte Fotos: für die Programmhefte, für die Presse, für die Dokumentation. Steckelings war von einem Tänzer der Compagnie angesprochen worden, zögerte nicht lange und fand sich mit seiner Kamera im Studio ein. Er fing die Compagnie und ihre Chefin in ihrem ersten Arbeitsjahr am Theater Wuppertal in über 1400 Aufnahmen ein. Eine Auswahl dieser Fotos, die 1977 in einer Ausstellung gezeigt und seither in einem Ordner in Steckeligs Atelier fast vergessen worden waren, ist nun in dem Bildband „Pina Bausch backstage“ erschienen. Die schwarz-weiß Fotos geben Zeugnis von einer entspannten, aber dennoch intensiven Arbeitsweise bei den Proben, zeigen, wie mit Requisiten und Kostümen experimentiert und zu Musik gelauscht wurde. Pina Bausch macht vor, beobachtet gespannt, lacht erleichtert, ist immer im Einsatz. Die TänzerInnen verbringen die Wartezeit auf ihren Einsatz mit Aufwärmübungen an der Stange, mit Lesen, mit Schauen. Manchem/mancher ist in einer versunkenen Haltung die Erschöpfung anzusehen. Viele von ihnen sind nicht mehr in Erinnerung aber Tänzer wie Dominique Mercy oder Jan Minarik haben von Anfang an das Gesicht des Wuppertaler Tanztheaters geprägt. Der Fotograf ist dabei, aber er beobachtet aus dem Off, drückt auf den Auslöser, wenn sich ein Foto vor seinen Augen ergibt. Steckelings hält nichts von nachträglicher Bildbearbeitung oder von Schnitten. Das Foto, das man sieht, ist der Moment, den der Fotograf gesehen hat.
Die Aufnahmen der Gruppe, die bald die Welt erobern sollte, waren eine der ersten fotografischen Arbeiten Steckelings. Der 1930 geborene, ausgebildete Textil-Ingenieur hatte 1965 den elterlichen Betrieb, eine Bandweberei, übernommen, die er erfolgreich leitete und in der er bis heute tätig ist. In den späten 1960er Jahren begann er Kurzfilme zu drehen und machte sich mit seinen experimentellen Arbeiten einen Namen in der Szene. Nach der Einzelausstellung der Tanztheater-Fotos hat er zahlreiche weitere Fotoprojekte realisiert und in Ausstellungen gezeigt. Außerdem ist er passionierter Sammlung von Objekten aus der Vorgeschichte von Film und Fotografie.
Das Buch ist ein Dokument, dass eine Zeit beleuchtet, die nur spärlich dokumentiert ist. Dass die Fotos wieder aufgetaucht sind, bezeichnet Salomon Bausch, der Sohn der Choreografin und Vorstand der Pina Bausch Foundation in seinem Vorwort zum Buch als einen „Glücksfall, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann“. Wer konnte schon ahnen, dass diese Arbeit, die in der ersten Saison nicht wohlwollend aufgenommen, sondern angefeindet wurde, Wuppertal dereinst zu Weltruhm führen würde. Die Bilder werden durch den Text „Für das Leben eine Sprache finden“ von Nora und Stefan Koldehoff in den Kontext ihrer Entstehung gestellt. Die Autoren lassen darin vor allem die Anfangsjahre der Tanz- und Theaterrevolutionärin mittels einer Reihe von Originalzitaten Revue passieren. Pina Bausch, die so ungern über ihre Arbeit sprach, hat mit in ihrer Suche nach Worten jedenfalls auch sehr viel über ihre künstlerische Suche im Tanz ausgesagt.
KH. W. Steckelings „Pina Bausch backstage“, herusgageben von Stefan Koldehoff, Verlag Nimbus, Wädenswil
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