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Der Name Palucca ist Programm. Die Tänzerin Gret Palucca (1902-1993) hat schon sehr früh erkannt, was sie damals noch gar nicht benennen konnte, nämlich wie wichtig ein Logo ist, eine CCI. Ihren Vornamen ließ sie weg, auf ihre ehelichen Namen verzichtete sie, sie war die Palucca. So trat sie auf, so unterschrieb sie ihre Briefe, so war sie über Deutschland hinaus bekannt.
In einer jüngst erschienenen Biografie erzählt die Hamburger Journalistin Susanne Beyer von der künstlerischen Strahlkraft der Tänzerin und gibt auch einen gut recherchierten Einblick in das Privatleben der Palucca. Gelungen ist diese Biografie vor allem durch die Öffnung der Archive der Akademie der Künste in Berlin. Bis 2003 war die reichhaltige Privatkorrespondenz der Palucca gesperrt, Beyer war eine der Ersten, die sie eingesehen und studiert hat. Aus den Briefen der Palucca aber auch aus Briefen und Tagebuchnotizen anderer, etwa der älteren Mary Wigman, entsteht das Bild einer fanatischen Tänzerin und einer zwiespältigen Frau.
Palucca war ein großer Name und ist es noch heute, nicht nur in Dresden, wo sie gelebt und gelehrt hat. Sie galt als die Erfinderin des modernen Tanzes und kann gut als Symbolfigur des vergangenen Jahrhunderts angesehen werden, das sie mit all seinen Wirrnissen erlebt hat. Die Palucca war immer da, egal wie sehr sich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse änderten, Palucca kümmerte sich wenig darum, sie tanzte. Wie auch Mary Wigman, der Lehrerin, von der sie sich rasch entfernte und deshalb von der eifersüchtigen Wigman immer wieder als Konkurrentin gefürchtet wurde. Erst im hohen Alter fanden die beiden Frauen wieder innigeren Umgang miteinander. Wurde der Tanz der Palucca einmal als „leicht wie der Atem des Frühlings“ beschrieben, so könnte man den der Wigman als „dunkel wie eine Winternacht“ beschreiben. „Palucca tanzte mit dem Raum um sich herum und der Raum mit ihr“, schreibt Beyer, „sie machte ihn weiter und enger, stieß ihn weg und holte ihn zu sich heran. Der Raum war ihr Geliebter, ihr Partner, ihr Gegner, ihr Feind.“ Nicht nur in zwei Dimensionen wurde der Raum genutzt, sondern auch in der dritten. Paluccas Sprungkraft war unnachahmlich und ließ dem Publikum den Atem stocken. Man dachte, sie könnte in der Luft stehen. Die Tänzerin, als Gret Paluka geboren, gehörte zur ersten Generation Frauen, die sportlich sein wollten, athletisch. „Und wenn die Leute heute ihr Bewusstsein für den Körper schulen, für die Atmung und das Spiel der Muskeln, dann ist das auch Paluccas Vermächtnis“, sagt Beyer.
Was den Umgang mit den Mächtigen betraf, so kann man Palucca des Gleiche vorwerfen wie der Wigman: Sie passten sich an, kümmerten sich nicht um die Auswirkungen der Politik, solange sie selbst nicht davon betroffen waren, hatten ein einziges Interesse, zu tanzen. Beide Frauen fühlten sich geehrt, als sie 1936 von Joseph Goebbels eingeladen wurden, bei der Eröffnung der Olympischen Spiele aufzutreten. Nach dem Krieg ging die Wigman von Leipzig weg, nach Westberlin; Palucca aber blieb Dresden treu und tanzte nun für die Kommunisten. Dass sie sich auch selbst und ihrer Kunst treu blieb, hat ihr in beiden autoritären Regimes allerhand Schwierigkeiten eingebracht.
Beyer schildert Palucca als zwiespältiges Wesen, als Kobold, wie viele ihrer Freunde sie sahen, „ein Mensch dem nichts Menschliches fremd ist, ein stolzer Mensch, der mit niemandem tauschen würde, ein totaler Mensch, der immer derselbe ist und jedes Mal ein anderer“, wie ihr Geliebter der Kunstförderer Will Grohmann schrieb.
Susanne Beyer zitiert viel, belegt ihre Zitate auch akribisch im Anhang und hat dennoch eine gut lesbare und überaus interessante Biografie geschrieben, nicht nur was den Tanz der Jahrhundertfrau Palucca betrifft, sondern auch die Person, die nicht auf der Bühne stand. Auch wenn Paluccas Intimleben einiges an Tratsch und Klatsch hergegeben hat, so geht die Autorin mit der Frau Gret Palucca ebenso respektvoll um wie mit der Künstlerin. Palucca ließ sich zu ihrem 85. Geburtstag noch in der Semperoper in Dresden öffentlich feiern. Die Feier zum 90. verweigerte sie, sie wollte Ruhe. Nach dem Mauerfall hatte sie sich kaum mehr aus dem Haus in der Dresdner Wienerstraße bewegt. Diese letzte Wende konnte und wollte Palucca nicht mehr mitmachen. In die Kaiserzeit hineingeboren, hat sie tatsächlich ein ganzes Jahrhundert durchlebt und nahezu auch durchtanzt. So ist diese Biografie auch ein interessantes Stück Zeit- und vor allem Kulturgeschichte.

Susanne Beyer: Palucca. Die Biographie
Erscheinungsjahr: 2009
AvivA Verlag
ISBN: 978-3-93233-835-9

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