Mit seinem Buch „Die Tänzerin von Auschwitz“ dokumentiert der Autor Paul Glaser das Leben seiner Tante Roosje, die mit eisernem Willen und unerschütterlichem Lebensmut das Konzentrationslager Auschwitz überlebte, unter anderem indem sie den SS-Leuten Tanzunterricht gab. „Die Geschichte einer unbeugsamen Frau“, so der Untertitel, erschien zum 70. Jahr der Befreiung von Auschwitz auf deutsch.
Roosje ist unkonventionell, sie ist ein lebenshungriges junges Mädchen, das sich als Tanzlehrerin in den Niederlanden ihren Lebensunterhalt verdient. Ihr Mann ist Besitzer einer Tanzschule wird sie später – als sie schon geschieden sind – an die Nazis verraten, wird angeben, dass sie keinen Judenstern trägt und sich an Orten aufhält, zu denen Juden unter den neuen Machthabern keinen Zutritt hätten.
Roosje nimmt die Judendiskriminierung nicht ernst, sie ist nicht gläubig und daher auch nicht von den Verboten betroffen. Glaubt sie. Ihre Tanzschule kann sie zwar nicht mehr öffentlich betreiben, doch auf dem Dachboden im Haus ihrer Eltern unterrichtet sie weiterhin. Nach dem Verrat, gelingt ihr mit ihrer Mutter die Flucht, sie kommt auf Vermittlung eines ehemaligen Liebhabers bei einem Ehepaar auf dem Land unter. Doch auch dieser „Freund“ wird sie verraten. Sie wird gefangen genommen, in das Durchgangslager Westerbork und von dort in die Konzentrationslager Vught und Auschwitz gebracht. Immer wieder gelingt es Roosje in den Lagern ihre Situation zu verbessern. Einerseits, weil sie in Deutschland aufgewachsen ist und perfekt die Sprache spricht, und daher Büroarbeiten erledigen kann. Andererseits wird sie die Geliebte ihrer Aufseher sowohl in Westerbork als auch in Auschwitz. Dort gibt sie Tanzunterricht und bringt den jungen Männern Manieren bei. „Ich unterrichte die SS-Leute in Auschwitz in Benimmfragen!“, schreibt sie in ihren Aufzeichnungen.
Bei allen Gräueln des Naziterrors in den Lagern, die in diesem Buch beschrieben werden, behält Roosje ihre Menschlichkeit. „Keiner von uns hat gewollt, was hier im Lager passiert. Lass uns einfach den Moment leben“, sagt sie zu ihrem Geliebten. Als die Russen näher kamen, mussten einige der Gefangenen bei Schnee und Kälte das Lager verlassen. 90 Kilometer Fußmarsch, bei dem sie sich und ihre beiden Freundinnen als „Team aus willensstarken Optimistinnen“ bezeichnet. Zwei der drei überleben und gelangen im Zuge eines Gefangenenaustausches nach Schweden. Roosje wird dort ein neues Leben aufbauen.
In dem Buch wird Roosjes Lebensgeschichte den Erfahrungen ihres Neffen Paul gegenübergestellt. Dessen Vater, Roosjes Bruder, der mit Hilfe seiner Verlobten, in einem Versteck in Holland überlebt hat, hat seine Kinder nie über ihre jüdische Abstammung informiert. Das entdeckt Paul Glaser zufällig, und er beginnt zu recherchieren. Er trifft Verwandte, fragt nach seiner Herkunft, erfährt, dass seine Großeltern ermordet wurden und vieles mehr. Sein Vater wird nie über diese Zeit mit ihm reden.
Anhand seiner Recherchen und der Aufzeichnungen von Roosje Glaser, die er nach deren Tod findet, schreibt er das Buch und ergänzt es mit einigen Fotos seiner attraktiven Tante.
Der Autor macht aus ihr keine Heldin, klammert kein Tabu aus, dokumentiert auch die Ambivalenz von Roosjes Geschichte, urteilt nicht.
„Die Tänzerin von Auschwitz“ ist ein ergreifendes Zeitdokument, das aufzeigt, wie der unvorstellbare Nazi-Terror auch in der Nachfolgegeneration präsent bleibt. Für die Leserin ist Roosjes Courage und ihre eindeutige Entscheidung für das Leben bewundernswert und unbegreiflich zugleich. Ein Buch, das unter die Haut geht und damit vor dem Vergessen schützt.
Paul Glaser: „Die Tänzerin von Auschwitz“, Aufbau Verlag, Berlin 2015
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Die Tänzerin von Auschwitz: Die Geschichte einer unbeugsamen Frau