Im Kölner Wienand Verlag ist eine sehr empfehlenswerte Publikation zur Kunst des Bildhauers Georg Kolbe erschienen. Zwölf der wichtigsten und schönsten Skulpturen wurden aus Kolbes großem Werk ausgesucht, näher vorgestellt und im Verbund mit historischen und aktuellen Fotografien anschaulich gemacht. Ikonen der modernen Skulptur, aber auch zahlreiche Zeichnungen, Skizzen und Studien. Der Band bietet einen Überblick, exemplarisch erläutert und versehen mit hervorragendem Bildmaterial.
Der tanzende, sich bewegende Körper ist das wichtigste Sujet in Kolbes Arbeiten. Sein Lebensthema: der „schreitende, springende, wirbelnde Mensch“. Georg Kolbe (1877-1947), als Maler ausgebildet, wandte sich während eines Aufenthalts in Rom der Bildhauerei zu. Es entstanden erste Plastiken und der Berliner Kunsthändler Paul Cassirer begann ihn zu fördern. 1905 wurde Kolbe in die Berliner Secession aufgenommen, später gründete er mit Max Liebermann, Ernst Barlach, Max Slevogt und Karl Schmidt-Rottluff die Freie Secession.
Seit seiner Anfangszeit in der Berliner Secession hat Kolbe kontinuierlich an einer tanzenden Frauenfigur gearbeitet, 1912 gelang ihm mit einer ersten Variation der „Tänzerin“ sein Durchbruch als moderner Bildhauer. Was Kolbes Blick auf den Tanz dabei so spannend macht, ist seine Position innerhalb der Kunstgeschichte. In dem weiten Bogen, den das Verhältnis von Tanz und bildender Kunst spannt, von genauer Abbildung bis zu freien tänzerischen Motiven wie man sie aus dem Expressionismus kennt, stehen Kolbes Werke genau in der Mitte. Es sind künstlerische Arbeiten, die einerseits vollkommen autonom und von einer eigenständigen Handschrift geprägt sind. Und andererseits kommen sie den Porträtierten nahe, werden ihnen gerecht.
Kolbe kannte zahlreiche Tänzer und Tänzerinnen, und viele von ihnen haben ihm Modell gestanden. Darunter auch Vaslav Nijinsky, der Kolbe 1912 während eines Berliner Gastspiels der Ballets Russes zusammen mit Tamara Karsavina in seinem Atelier besuchte. Während es von Tamara Karsavina Fotos gibt, die während dieses Treffens gemacht wurden, findet man Nijinsky in der gezeichneten Abbildung eines Tänzers wieder, die mehrere Skizzenblätter füllt. Kolbes schnelle Zeichenstriche verweisen dabei auf die Intention, die aufeinanderfolgenden Bewegungen auf dem Papier festhalten zu wollen. Überhaupt zeigt sich, dass es nicht nur Kolbes berühmte Skulpturen sind, in denen der Tanz der Zeit bildnerisch umgesetzt wurde. Es sind vor allem auch Zeichnungen, welche die verschiedenen Charakteristika der Dargestellten großartig wiederzugeben vermögen. So gibt es Abbildungen von Gret Palucca, Charlotte Bara, Ted Shawn und (wahrscheinlich) Vera Skoronel.
Viele Arbeiten von Georg Kolbe konnte man in den vergangenen Jahren in diversen Ausstellungen und Museen (wieder-)entdecken. Wobei der beste Ort für seine Werke sicher das wunderschöne Kolbe Museum in Berlin ist. Im Katalog findet man es prächtig fotografiert. Sowohl Garten- als auch Innenansichten. Ende der 1920er Jahre zog Kolbe in das große Wohn- und Atelierhaus in der Sensburger Allee. Ein Rückzugsort, weg vom trubeligen Tiergartenviertel. 1928 entstand in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Architekten Ernst Rentsch zunächst ein zweiteiliges Ensemble in klaren kubischen Formen. In den 1930er Jahren erfolgten dann nach Entwürfen des Bauhausschülers Paul Linder ein Skulpturenhof und das Tonatelier. Aber auch Fotografien von Plastiken, die an anderen Orten stehen, gehören zum Katalog. Darunter eine 2001 entstandene Aufnahme aus Candida Höfers Serie von Architekturfotografien. Kolbes Skulptur „Nacht“ im Lichthof des Berliner „Haus des Rundfunks“, einem Gebäude von Hans Poelzig. So macht der Katalog es möglich, Kolbes umfangreiches Oeuvre in verschiedenen Kontexten zu sehen. Er erlaubt ein genaues, langsames Betrachten der Kunst - und das macht viel (Lese-)Freude.
Georg Kolbe. Ausgewählte Werke. Hg. von Julia Wallner. Wienand Verlag, Köln, 2017.
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Georg Kolbe: Ausgewählte Werke