Aus Anlass seines 150. Geburtstags hat der Wienand Verlag eine reich bebilderte Monografie zum Werk des Malers Ernst Oppler (1867-1929) herausgebracht. Die Publikation ist in Zusammenhang mit einer Ausstellung des Deutschen Tanzarchivs Köln entstanden. Dessen Leiter, Frank-Manuel Peter, hat den Band auf der Grundlage jahrelanger Forschungen des 1994 verstorbenen Kunsthistorikers Jochen Bruns konzipiert. Texte und Bildauswahl ergeben einen hervorragenden Einblick in das Gesamtwerk des Impressionisten.
Von besonderer Bedeutung für Ernst Opplers gesamtes Schaffen sei, so Frank-Manuel Peter, ein Berliner Gastspiel der Ballets Russes mit Anna Pawlowa gewesen. Diese Aufführung in Berlin, die Geschichte ihrer Produktion und Rezeption steht daher auch im Mittelpunkt der Monografie. Auf Initiative der Schauspielerin Tilla Durieux veranstaltete die Berliner Secession, deren Gründungsmitglied Oppler war, am 5. Mai 1909 in der Königlichen Oper eine Nachmittagsaufführung als geschlossene Veranstaltung. Die Begeisterung der geladenen Zuschauer war groß, auch und vor allem die der bildenden Künstler. Viele der zwischen 1909 und 1914 in Berlin lebenden Maler ließen sich vom russischen Ballett zu eigenen Arbeiten inspirieren, unter ihnen Erich Heckel, Max Pechstein, Max Slevogt, Georg Kolbe, Fritz Klimsch, Paul Scheurich, Ludwig Kainer und Arthur Grunenberg. Aber keiner von ihnen konzentrierte sich danach so sehr auf die Bühnenkunst von Diaghilews Ensemble wie Ernst Oppler es tat. Das Auftreten der Ballets Russes sei für ihn, so schreibt Oppler im Rückblick, „wohl das größte Erlebnis in meiner künstlerischen Entwicklung, weil diese durch die Leidenschaft ihrer Darstellung (...) alles erfüllten, was sich künstlerische Phantasie erträumen konnte.“ Ein Schlüsselerlebnis, nach dem der Maler die Welt des Bühnentanzes für die folgenden 20 Jahre bis zu seinem Tod zum wesentlichen Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens machte. Wobei er nicht nur die Stars der Ballets Russes porträtierte, sondern auch viele andere Tänzer. Darunter Isadora Duncan, Josephine Baker, Alexander Sacharoff und Clotilde von Derp.
Ernst Opplers künstlerisches Ziel war es, charakteristische Augenblicke eines Tanzes in „Momentaufnahmen“ zeichnerisch festzuhalten. Anders als viele seiner Künstlerkollegen malte er Tanz- und Ballettszenen jedoch fast nie nach Modell. Das prägt seine Auseinandersetzung mit der Bewegung als einem fragilen Moment. Für Oppler war es, wie er 1927 schrieb, selbstverständlich, dass die bildnerische Umsetzung eine direkte Übertragung des Bühnenaugenblicks sein müsse. Sei es bei einer Probe oder während einer Aufführung - immer machte sich Oppler beim Anschauen von Tanz und Ballett Skizzen, fühlte sich so sehr in die Bewegungen ein, dass er sie später, im Atelier, genau rekonstruieren konnte. „Im verdunkelten Zuschauerraum muß der Maler“, so erklärte er, „in flüchtigen Notizen die Reihenfolge der Bewegungen niederschreiben (...).“ Für diesen ersten Schritt in seinem Schaffensprozess hatte sich der Künstler sogar extra einen beleuchteten Zeichenstift konstruiert.
Opplers Blick auf den Tanz ist ein sehr persönlicher, eigener. Anders als Eduard Degas, mit dem er oft zusammen genannt wird, stellte Oppler seine Protagonisten nicht als Stereotypen dar. Degas` Bilder zeigen namenlose, posierende Tänzerinnen, skulpturale Modelle; entscheidend ist bei ihm die Gesamtkomposition und Farbigkeit. Bei Oppler indes sind die Porträtierten stets erkennbar, ihre Persönlichkeit wird gewürdigt und malerisch herausgearbeitet.
Doch bei aller Spezifizierung auf den Tanz sind – und das zeigt der Katalog sehr gut – in Opplers Oeuvre auch noch weitere, spannende Facetten zu entdecken. So interessierte ihn das Thema der Bewegung nicht nur im Bereich der Bühne. Ihn reizte auch die Darstellung von Sportarten wie Tennis, Polo, Pferderennen und Boxen. In vielen seiner Bilder findet man Sujets und Stil des 20 Jahre älteren Max Liebermann wieder. Dem Impressionismus und seinen Schönheitsidealen blieb Oppler in seinem Schaffen immer treu, auch noch in den 1920er Jahren. Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch Frank-Manuel Peters Hinweis auf das vermutlich letzte Werk des Künstlers. Dieses Selbstbildnis mit Modell (1928) zeigt eine farblich ungewohnte Expressivität und einen freien und spontanen Pinselduktus. Vielleicht, so Peter, eine Neuorientierung im malerischen Werk Ernst Opplers.
Betrachtet man die Fülle und Vielfalt an Zeichnungen, Drucken und Gemälden, die den zweisprachigen Band (deutsch/englisch) auszeichnen, wird deutlich, dass Ernst Oppler die Position als „bedeutendster deutscher bildkünstlerischer Chronist des Bühnentanzes des 20. Jahrhunderts“ absolut gebührt. Seine Bilder sind sowohl kunst- als auch tanzhistorisch von großer Bedeutung.
Frank-Manuel Peter: Der Maler Ernst Oppler. Berliner Secession & Russisches Ballett. Wienand Verlag Köln, 2017. 176 Seiten, 220 farbige und 7 s/w Abbildungen. Deutsch/Englisch
Die Ausstellung „Berliner Secession & Russisches Ballett: Ernst Oppler“ ist noch bis zum 28.1.2018 im Deutschen Tanzarchiv Köln/SK Stiftung Kultur zu sehen.