Chanel im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, Lagerfeld in der Bundeskunsthalle in Bonn, Jil Sander im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt. Seit einigen Jahren gehört die weite Welt der Mode zu einem Lieblingsthema von Ausstellungsmachern und Kunstwissenschaftlern. Nun ist im Kerber Verlag eine groß angelegte Publikation erschienen, die Mode und Kunst zusammenbringt: „Fashion Drive. Extreme Mode in der Kunst“.
Erschienen ist der Band zur gleichnamigen Ausstellung im Kunsthaus Zürich (April-Juli 2018), doch lohnt sich die Lektüre nicht nur im Zusammenhang mit einem Museumsbesuch. Ein wenig überdreht, aber irgendwie auch nett engagiert, machen die beiden Kuratoren Cathérine Hug und Christoph Becker im Vorwort Lust auf ihr Sujet und laden ein „in die wundersame Welt der Mode in der Kunst – in ihren extremen Erscheinungen: Wir lassen Sie gerne teilhaben an unserem Vergnügen bei ‚Fashion Drive’ und wünschen Ihnen mannigfache Anregung.“
Danke! Der Aufforderung, das Besondere, Neue in der Entwicklung der Mode in den Fokus zu rücken, kommt der Leser angesichts der Fülle des zusammengetragenen Materials gerne nach. Wenn er möchte, kann er einer chronologischen Anordnung folgen, von der Renaissance bis in die Gegenwart. Er kann sich aber auch einfach treiben lassen durch 500 Jahre Kunst- und Modegeschichte, kann die insgesamt elf Kapitel mit ihren wissenschaftlichen, essayistischen und literarischen Beiträgen durchstreifen. Oder er kann querbeet umherblättern und das großartige Bildmaterial genießen. Denn in all ihrer Komplexität und Wandlungsfähigkeit ist die Mode natürlich vor allem in Techniken wie jener der Malerei, Grafik, Plastik, Installation und Fotografie dokumentiert und fassbar. Auch wenn, wie Philipp Zitzlsperger in seinem Beitrag hervorhebt, die Darstellung von Kleidung zuallererst für die Bildbedeutung von Belang ist. Erst danach darf die Frage nach ihrem Wirklichkeitsbezug gestellt werden.
Dass die Mode ein Seismograph ist, der Befindlichkeiten und Sehnsüchte registriert (so Cathérine Hug) sowie Stimmungen und das Streben einer Epoche widerspiegelt (Aileen Ribeiro), zeigt sich in ihrer gesamten Entwicklung. In den strikten Kleiderordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts ebenso wie in der Entstehung von Kaufhäusern um 1870, eindringlich beschrieben von Émile Zola. Im Image des im späten 19. Jahrhundert viel porträtierten Dandys ebenso wie in der Selbstinszenierung von Models ab den 1980er Jahren. Über die Zeiten hinweg verläuft die Geschichte der Mode dabei stets parallel zur Geschichte des Körpers. Katharina Tietze zeigt dies anschaulich in ihrem Beitrag über die Krinoline. Der bisweilen bizarr riesige Reifrock fand sich im frühen 20. Jahrhundert in verschiedenen Tanzformen wieder. Im Cancan der Varietés, aber auch in den wirbelnden Lichtspielen einer Loie Fuller.
In „Fashion Drive“ steht die Frage nach der Reflexion von Mode durch die Kunst im Mittelpunkt. Was natürlich bedeutet, dass es ein schier unendliches Meer von bildnerischen Beispielen gibt. Die Anzahl der im Buch präsentierten Exponate ist entsprechend hoch. Doch die Auswahl überzeugt; zu sehen sind u.a. Werke von Albrecht Dürer, Jean-Antoine Watteau, Édouard Manet, Max Ernst, Sonia Delauney, Joseph Beuys und Jakob Lena Knebl. Auch Konzept und Gestaltung des Bandes sind durchweg gelungen. Fundiert und spielerisch zugleich. Es macht Spaß, sich mit diesem kreativen und vielseitigen Aspekt der Modebranche wie auch der Kunst zu beschäftigen.
Fashion Drive. Extreme Mode in der Kunst. Herausgeber: Zürcher Kunstgesellschaft/Kunsthaus Zürich. Kerber Verlag. Bielefeld 2018. 327 Seiten
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