Im ersten Teil der Tanzlektüre für diesen Sommer stellen wir Simon Kupferschmieds Fotografien, die Autobiografie des gebürtigen Wiener Tänzers, Choreografen und Ballettmeisters André Detrouval sowie die Reflexionen der Schweizer Journalistin und Historikerin Ursula Pellaton vor.
Belichtete Körper
Die Studioaufnahmen von Simon Kupferschmied bilden Eleven*innen der Ballettakademie der Wiener Staatsoper ab. Sie stehen an der Schwelle zu ihrer Berufslaufbahn und benötigen Werbe- und Marketingfotos für Auditions. Eine Auswahl stellt der Fotograf in dem Buch "Ballettauditions & More" zusammen.
Auch (ehemalige) Tänzer*innen des Wiener Staatsballett zählen zu seinen Modellen: Rikako Shibamoto, Joana Reinprecht, Katharina Miffek, Isabella Lucia Severi, Olivia Poropat oder Marie Breuilles. Die "Hauptrolle" in dem stimmungsvollen Bildband spielt aber Natascha Mair, die nach ihrer Ausbildung innerhalb sehr kurzer Zeit in den Rängen des Wiener Staatsballetts zur Ersten Solistin aufgestiegen war, und seit letzter Saison als Principal beim English National Ballet tanzt.
Kupferschmied fängt die Bewegung an ihrem Höhepunkt ein, wenn der Sprung am höchsten, die Streckung am extremsten ist. Nichts lenkt bei diesen Studioaufnahmen vom Spiel der Muskeln ab. Auch bei vereinzelten Außenaufnahmen wirkt die Umgebung, wie etwa eine Blütenallee oder der Schwarzenbergplatz, als Kulisse für die Tänzerin. Dass Tänzer*innen auch gelegentlich entspannen, das wird in diesem ansprechenden Bildband mit einem Vorwort des Kunsthistorikers Heinz Widauer, nur anhand eines einzigen Fotos gezeigt.
Simon Kupferschmied: Ballettauditions & More, Verlag Berger Horn/Wien, 2021
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Ein Tänzerleben
André Doutreval, 1942 als Adolf Bruno Preglej in Wien geboren, blickt in seinem Buch „Ein Leben für den Tanz. Die Geschichte einer Leidenschaft“ auf seine Karriere als Tänzer, Choreograf und Pädagoge zurück. Im Ballett der Wiener Staatsoper hatte er im Corps de ballet zwar eine sichere Stelle mit unkündbarem Beamtenstatus, doch die gab er auf, um dem Ruf nach Höherem in Klagenfurt zu folgen. Als Solotänzer war er er im dortigen Stadttheater engagiert und danach in verschiedenen Ensembles der damaligen BRD (Bundesrepublik Deutschland). Er war Ballettdirektor und Choreograf am Stadttheater Kassel und betrieb dort zusammen mit seiner Frau und Tanzpartnerin Silvia Haemmig die Ballettschule Doutreval. Wie alle Tänzer seiner Zeit ist auch Doutreval von Rudolf Nurejew fasziniert, doch beginnt er sein Buch gleich mit einer kritischen Distanzierung zum „Star mit Allüren“, an dessen Seite er in Berlin in „Dornröschen“ den Blauen Vogel tanzte - und dafür, so erinnert er sich, vom Publikum gleichermaßen gefeiert wurde. Doutreval berichtet selbstbewusst von den Großen seiner Zeit, denen er auf Augenhöhe begegnet. Das Buch bietet einen Einblick in die Höhen und Tiefen eines spannenden, wenn auch nicht glamourösen Tänzerleben.
André Doutreval: „„Ein Leben für den Tanz. Die Geschichte einer Leidenschaft“, Rüffer & Rub, Zürich 2020
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Ein Leben für den Tanz: Die Geschichte einer Leidenschaft
Tanzerzählungen
In der Tradition der Oral History steht das Buch „Ursula Pellaton – Tanz verstehen“, in dem die Historikerin und Journalistin Ursula Pellaton ihre Erinnerungen und Einschätzungen des Tanzes im 20. Jahrhundert mit Fokus auf die Entwicklungen in der Schweiz erzählt. Das ist einerseits bemerkenswert, hat doch die Journalistin und Historikerin über 40 Jahre ihre Tanzerfahrungen schriftlich festgehalten. Andererseits: "Eine Autobiografie zu schreiben, wäre für sie nie eine Option gewesen", schreibt die Tanzwissenschaftlerin Julia Wehren, die die Gespräche geführt und editiert hat. "Eine Plattform aber, die ihr immenses Wissen, und ihren Erfahrungsschatz in den Vordergrund rückt, kommt ihrem Wesen entgegen". Pellaton, die bis heute noch einmal pro Woche ins Balletttraining geht, spricht für dieses Buch über Fachliches und Persönliches. Als Kritikerin findet sie es zum Beispiel wichtig, Abstand zu den Künstlern zu halten, aber es gibt Ausnahmen. "… wenn man mit jemandem befreundet ist, wird es schwierig, auch mal zu sagen: Nein, das geht so nicht. Es gibt allerdings auch Choreografen, von deren Qualität ich so überzeugt bin, dass ich gerne mit ihnen befreundet bin. Martin Schläpfer, heute Leiter des Wiener Staatsballetts, gehört dazu oder Brigitta Luisa Merki von den Flamencos en route in Baden." Die Gespräche wurden mit Originalschriften von Ursula Pellaton und zahlreichen Abbildungen ergänzt
Julia Wehren: „Ursula Pellaton – Tanz verstehen“, Rüffer & Rub, Zürich 2020
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