Das Cover gibt sich ein wenig geheimnisvoll. „Oskar Schlemmer und der Tanz“ steht da und ganz klein in der Ecke der Verlag: Wienand. Dazu ein Foto der Tänzerin Daisy Spies im Kostüm der „Spirale“. Das sieht gut aus und doch bleibt offen, warum man erst etwas blättern muss, um zu sehen, dass Frank-Manuel Peter, Leiter des Deutschen Tanzarchivs Köln, der Autor dieser über 600 Seiten umfassenden Publikation ist. Nicht einmal im Infotext auf der Rückseite des Bandes wird er genannt. Und auch der Titel hätte gern in seiner vollen und entscheidenden Länge abgedruckt werden können. Denn der wichtige Zusatz, von dem man erst nach dem Aufschlagen des Buches erfährt, lautet: „Die Tänzernachlässe“.
Und tatsächlich ist diese Publikation vor allem eines: eine umfangreiche Quellensammlung. Bislang unbekannte Fotos, Briefwechsel, Auszüge aus Memoiren und zahlreiche Kritiken ermöglichen einen neuen, korrigierten Blick auf Oskar Schlemmers Auseinandersetzung mit dem Tanz. Ziel ist es, so Frank-Manuel Peter, Auskunft über Schlemmers Bezüge zum Tanz zu geben und dafür die Tänzernachlässe im aktuellen Bestand des Deutschen Tanzarchivs Köln zu nutzen. Peter, der seit vielen Jahren zu Schlemmer forscht, skizziert und widerlegt zahlreiche Legenden und falsche Zuschreibungen, vor allem jene, die mit dem 1922 uraufgeführten „Triadischen Ballett“ verbunden sind. Denn weder ist das „Triadische Ballett“ am Bauhaus entstanden, wie mitunter zu lesen ist, noch kann Schlemmer als alleiniger Urheber gelten. Für die Entstehung des berühmten Stückes war das Ehepaar Elsa Hötzel und Albert Burger, beide Solisten an der Königlichen Hofoper in Stuttgart, von entscheidender Bedeutung. Zahlreiche Briefe belegen Hötzels und Burgers wesentlichen künstlerischen Anteil am „Triadischen Ballett“ und machen deutlich, wie schwierig sich die Zusammenarbeit mit Schlemmer gestaltete. Ähnliches gilt für die „Bauhaustänze“, für die Frank-Manuel Peter zeigen kann, dass die Tänzerin und Ballettmeisterin Manda von Kreibig die entscheidende Expertise lieferte.
Frank-Manuel Peter bringt die vielen, im Tanzarchiv versammelten Quellen auf fundierte und anschauliche Weise mit dem Werk Schlemmers zusammen. Es gelingt ihm eine interessante Kontextualisierung von Werk-, Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte. Die Fülle des Materials scheint aber auch eine Herausforderung für sein Buchprojekt gewesen zu sein, vor allem für das Lektorat. Das Konzept der Publikation hat etwas Unfertiges, eilig Zusammengestelltes. Immer wieder gibt es überflüssige Wiederholungen von Texten und Zitaten. Ganze Absätze werden mehrfach gebracht. Da wäre eine Überarbeitung gut gewesen.
Neben Personenverzeichnis und Bildnachweis (beides sehr nützlich!) findet man im Anhang des Bandes eine detaillierte Zusammenstellung von Schlemmers bühnentheoretischen Schriften. Es ist eine Menge Textmaterial, das da erstmals zur Verfügung steht und das es weiter zu bearbeiten gilt. Längst seien nicht alle Einzelheiten zum Thema seines Buches bekannt, sagt Frank-Manuel Peter und betont, dass sich für Forschende der Weg in ein Archiv immer lohne – auch bei einem vielfach bearbeiteten Thema wie dem Werk Oskar Schlemmers. Was für eine nette Einladung nach Köln!
Frank-Manuel Peter: Oskar Schlemmer und der Tanz. Die Tänzernachlässe. Hrsg.: Deutsches Tanzarchiv Köln. Wienand Verlag, Köln 2023
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